Reeder regulieren sich selbst

UN-Schifffahrtsorganisation wird von Industrie dominiert

Die UN-Organisation für Seeschifffahrt soll die Treibhausgasemissionen der Branche senken. Bislang ist das aber nicht gelungen, was an der dominanten Beteiligung von Industrievertretern in den UN-Gremien liegen könnte.

Es gibt weltweit nur eine Industrie, die keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss: die Seeschifffahrt. Selbst der Flugverkehr hat mittlerweile ein Klimaziel. Dabei sind die Emissionen der Schiffahrt nicht unerheblich: knapp einen Milliarde Tonnen CO2, soviel wie Deutschland. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO schätzt zudem, dass diese Emissionen um 50 bis 250 Prozent bis zum Jahr 2050 steigen werden. Dennoch lehnt sie verbindliche Emissionsvorgaben ab. Mit ein Grund dafür dürfte die Zusammensetzung der Delegationen sein, die die Länder zu den IMO-Konferenzen schicken. Von den 100 Mitgliedsländern lassen sich 20 durch Industrieverbände vertreten und 17 durch einzelne Unternehmen, wie die Lobby-kritische Organisation ‚Influence Map‘ herausgefunden hat. [1] Deren Bericht kommt zum Schluss: „Die IMO scheint die einzige UN-Agentur zu sein, die derart weitgehende Beteiligung von Firmen zulässt.“ [2 s. S. 3]

Überflieger? Für den Luftverkehr gibt es ein Klimaziel, für die Schifffahrt nicht. (Foto: hpgruesen / Pixabay)
Überflieger? Für den Luftverkehr gibt es ein Klimaziel, für die Schifffahrt nicht. (Foto: hpgruesen / Pixabay)

Fünf kleine Länder lassen sich zudem durch kommerzielle Schiffsregister vertreten etwa die Marschall-Inseln. [2 s. S. 12] Diese haben das Recht Schiffe zu registrieren, an eine US-Firma ‚International Registries Inc.‘ (IRI) abgetreten, die die Marschall-Inseln auch bei der IMO vertritt. Als im Jahr 2015 der damalige Aussenminister des Inselstaats, Tony de Brum, an einer IMO-Sitzung teilnehmen wollte, stellte er fest, dass die Plätze seines Landes von IRI-Vertretern besetzt waren. De Brum sagte anschliessend: “Wir hatten Schwierigkeiten die Leute, die auf unseren Plätzen sassen, davon zu überzeugen, dass wir Vetreter der Marschall-Inseln sind.“ [2 s. S. 16]

IRI-Chef Bill Gallagher ist hingegen stolz auf das Lobbying seiner Firma, wie er dieses Jahr sagte: „Früher haben wir ein Taxi zur IMO geschickt und heute schicken wir einen Bus. Unsere Regulierungs-Spezialisten sagen: ‚Wenn du nicht in den Arbeitsgruppen bist, dann hast du keinen Einfluss darauf, was passiert.‘“ [3] IMO-Chef Kitack Lim versteht derweil die Aufregung über den Industrieeinfluss nicht: „Die Zusammensetzung der Länderdelegationen ist einzig eine Angelegenheit der Länder selbst, und Länder, die Industrievertreter mit einbeziehen wollen, können dies tun.“ Diese Offenheit sein „eine Stärke der IMO“. [4]

Unter den Reedern mit Einfluss auf die IMO sticht ein Land hervor: Griechenland. Dies gilt insbesondere für die internationalen Industrieverbänden mit IMO-Beobachterstatus. Philippe Louis-Dreyfus, der Chef der gleichnamigen französischen Reederei, bezeichnete die Griechen als „neue Herrscherklasse“ der Schiffahrtsindustrie und sagte, es sei „eine ausserordentliche Leistung, dass (bis auf zwei) alle internationalen Schifffahrtsorganisation von Griechen geführt werden“. [2 s. S. 22] Diese haben allerdings oft wenig Verständnis für Klimaschutz wie das Beispiel von John Lyras zeigt, dem griechischen Vertreter in der ‚International Chamber of Shipping‘, einem Verband: „Warum werden wir geschunden, um ein (Emissions-) Ziel zu setzen und einen spezifischen Prozentsatz und ein Datum zu nennen? Was soll das? Ich verstehe das nicht.“ [2 s. S. 22]

Verstehen kann dies hingegen der Vizechef der chinesichen Reederei Costco in Grossbritannien, Andrew Craig-Bennett. Dieser ging in einem Leitartikel für die Branchenpublikation ‚Splash24/7‘ scharf mit seiner Industrie ins Gericht: Der Bericht von ‚Influence Map‘ sei „grundsätzlich korrekt und wir wissen alle, dass es so ist“. [5] Für die Vertreter seiner Industrie findet er deutliche Worte: Er hätte “nur Verachtung für die Prostituierten, die von unserer Gaunerei bezahlt werden“ und warnt: „Der Planet hat kein Rettungsboot.“ Dann plädiert er für eine emissionsfreie Schiffahrt. „Wenn wir versuchen die Emissionen zu regulieren, dann wird betrogen. Das ist das, was die Leute in unserem Geschäft tun.“ Daher sei der einzige Weg, „den Verbrennungsmotor zu verbieten und Null-Emissionen zu beschliessen.“ Craig-Bennett stellt sich damit hinter den Vorschlag, der Pazifikstaaten inklusive der Marschall-Inseln: Null Emissionen ab 2035. „17 Jahre sind lang genug, um alle Schiffe abzubezahlen und zu verschrotten und durch etwas anderes zu ersetzen.“

Dass die Branche nicht monolithisch ist, zeigt auch der schwedische und der dänische Reederverband. Diese unterstützen scharfe Emissionsreduktionen. Lob von ‚Influence Map‘ erhält zudem der Brachenprimus der Containerschiffahrt, der dänische Konzern ‚AP Moller-Maersk‘. [2 s. S. 23] Maersk versuche „eine Führunsrolle bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt zu übernehmen“. Manche scheinen also Craig-Bennetts Meinung zu teilen: „Wir wissen alle, dass der Wandel kommen wird. Wir können ihn anführen, dabei reich werden und auf der Seite der Engel stehen oder wir können das Schicksal anderer fossiler Industrien teilen.“ mic

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[1] Influence Map, Oktober 2017: Corporate capture of the IMO

[2] Influence Map, Oktober 2017: Corporate capture of the IMO – How the shipping sector lobbies to stay out of the Paris Agreement (PDF)

[3] Marine Link, 25.07.2017: The Marshall Islands Move to Head of the Class

[4] IMO, Oktober 2017: A statement from the Secretary-General

[5] Splash24/7, 26.10.2017: Can we be honest about the damage we are all doing?