Droht eine neue Schuldenkrise?

Die Gesamtverschuldung der Welt ist seit 2008 gestiegen

Die Schwachstellen im globalen Finanzsystem sind die hohen Staatsschulden der Industriestaaten und die starke Verschuldung von Chinas Firmen. Dennoch sei eine Wiederholung der Krise von 2008 unwahrscheinlich, sagt eine aktuelle Studie.

Der Auslöser für die Finanzkrise im Jahr 2008 waren Schulden. In den USA bündelten Banken die Hypothekenschulden von Haushalten in Wertpapieren und verkauften sie anschliessend weiter. Somit hatten sie kein Interesse mehr auf die Bonität der Schuldner zu achten sondern nur noch möglichst viele Kredite zu vergeben. Als klar wurde, dass viele dieser Hypotheken platzen würden, stoppten die Banken die Kreditvergabe an andere Banken. Denn niemand wusste, wer wieviele Ramschhypotheken besass. Damit wurde die Hypotheken- zu einer Bankenkrise. Zehn Jahre später ist die nächste Rezession eigentlich überfällig. Wie schwer diese ausfällt, hängt insbesondere davon ab, ob es erneut zu einer Banken- und Schuldenkrise kommt. Schulden genug wären dafür da: Im Juni 2008 hatten Haushalte, Firmen und Länder Schulden im Wert von 208 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im Juni 2018 lag dieser Wert bei 234 Prozent. [1] Jeder Mensch der Welt steht so mit über 25.000 Dollar bei sich selbst in der Kreide.

Nächster Halt? Nicht jede Rezession ist eine Krise, aber viel gelernt hat die Welt aus der letzten Krise nicht. (Bild: pxhere)
Nächster Halt? Nicht jede Rezession ist eine Krise, aber viel gelernt hat die Welt aus der letzten Krise nicht. (Bild: pxhere)

Dennoch bestünde kein Grund zur Panik, meint die Ratingagentur Standard & Poor‘s (S&P), denn die Bonität der Schuldner habe sich verbessert. [1] Global gesehen haben Haushalte weniger Schulden als im Juni 2008 und Regierungen und Firmen haben mehr. Der Anstieg der Staatsschulden ist aus Sicht von S&P nicht allzu besorgniserregend, weil dieser insbesondere Industriestaaten betreffe. Deren Schuldenquote ist von 71 BIP-Prozent auf 104 gestiegen. Dies ist nicht zuletzt eine Folge der Krise von 2008, als sich viele Länder genötigt sahen, ihre Banken zu „retten“, indem sie ihnen faule Kredite abnahmen. Kritischer sieht S&P hingegen den Anstieg der Schulden von Firmen. Hier stechen zwei Länder hervor: die USA und China.

In China ist die Verschuldung von Firmen von 93 BIP-Prozenten auf 155 gestiegen und ist damit dreimal höher als in Deutschland und immer noch doppelt so hoch wie in den USA. Dieser Anstieg „repräsentiert ein sehr hohes Kreditrisiko“, so S&P. Wenn man die Zusammensetzung der chinesischen Firmenschulden betrachtet, wird das Bild noch kritischer: Vier Fünftel der Schuldner fallen in die beiden Kategorien „stark“ oder zumindest „aggressiv gehebelt“. In keinem anderen Land der Welt setzen derart viele Firmen auf soviel Fremdkapital, um ihr Geschäft zu finanzieren. Für das globale Finanzsystem sei die Schuldenorgie von Chinas Firmen, aber keine allzu grosse Gefahr. S&P nennt dafür zwei Gründe: Ein Grossteil der Schulden entfalle auf Firmen im Staatsbesitz und Chinas Regierung habe genügend Möglichkeiten, um deren Pleite zu verhindern. Ausserdem hätten sich die meisten Firmen im Inland verschuldet, „was eine begrenzte Ansteckungsgefahr für das Ausland impliziert“. Oder anders: Gläubiger in China sollten sich durchaus Sorgen machen, aber der Rest der Welt wäre von einer Schuldenkrise in China nicht allzu sehr betroffen.

In den USA ist nicht die Höhe der Firmenschulden ein Problem, sondern ein innovatives Finanzinstrument mit einem gewissen Déjà-vu-Effekt: US-Banken vergeben Kredite an Firmen und verkaufen die Kredite dann weiter. Meist werden diese dann gebündelt und als Collateralized Loan Obligations (CLOs) an die Börse gebracht. Im Gegensatz zu den gebündelten Hypotheken werden CLOs aber aktiv gemanagt und gleichen daher eher einem Anlagefond. Dafür werden CLOs gehebelt, indem sie sich Geld leihen, um mehr Kredite kaufen zu können. Die Qualität dieser Kredite nimmt derweil ab. Mittlerweile haben 29 Prozent ein BBB Rating und sind nur noch eine Stufe über dem Junk-Niveau. Vor zehn Jahren waren dies nur 14 Prozent. [2] Im Fall einer Rezession ist es daher wahrscheinlich, dass sehr viele Kredite auf „Junk“ heruntergestuft werden. Neu aufgelegte CLOs bereiten sich bereits darauf vor, indem sie bis zur Hälfte solche Ramschkredite in ihrem Portfolio halten dürfen. Dafür reduzieren sie ihren Hebel: Das Geld der Anleger wird nur um den Faktor 5,5 mit Krediten gehebelt und nicht um den Faktor 14,3 wie bei anderen CLOs. [2]

Eine weitere, mögliche Gefahr für das Finanzsystem ist eine Krise in mehreren Schwellenländern. Die dortigen Regierungen und Firmen verschulden sich oft in US-Dollar. Beispiele sind etwa Argentinien, das vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits einen Notkredit über 57 Milliarden Dollar erhalten hat, oder die Türkei. Dort ist letzte Woche erneut der Wechselkurs der Lira und die Börse eingebrochen. Sollten weitere Schwellenländer in Schieflage geraten, könnte es eng werden warnt der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Agustin Carstens. „Der IWF hat nicht die adäquate Feuerkraft. Falls drei oder vier Länder zur gleichen Zeit Hilfe brauchen, dann müssten wir in grossem Stil auf globaler Ebene improvisieren oder die wirtschaftlichen Kosten wären gigantisch“, sagte Carstens bei einer Veranstaltung letzte Woche. [3] Carstens lobte in diesem Zusammenhang den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Das europäische IWF-Pendant sei deutlich besser kapitalisiert als der IWF selbst. Bei der gleichen Veranstaltung sprach auch IWF-Chefin Christine Lagarde und mahnte weitere Reformen in der Eurozone an: „Die Währungsunion ist widerstandsfähiger als vor zehn Jahren, aber nicht widerstandsfähig genug.“ Insbesondere die Bankenunion müsse vollendet werden. „Es ist klar, was noch getan werden muss: eine gemeinsame Einlagenversicherung.“ [4]

Zurück auf der globale Ebene, erwartet S&P keine baldige Wiederholung der letzten Schuldenkrise: „Es ist unwahrscheinlich, dass der nächste globale Abschwung so schwerwiegend wird wie der in den Jahren 2008 und 2009, da die Ansteckungsgefahr begrenzt ist.“ S&P-Prognosen sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Die Ratingagentur hat mit zur letzten Krise beigetragen, indem sie die Hypothekenbündel meist mit einem AAA-Rating versehen hat. mic

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[1] Standard & Poor’s, März 2019: Next Debt Crisis: Will Liquidity Hold? (PDF)

[2] Bloomberg, 18.01.2019: These Money Managers Are Getting Ready to Profit From a U.S. Economic Downturn

[3] Banque de France, 28.03.2019: The Euro Area: Staying the Course through Uncertainties (Video ab 02:00:00)

[4] IWF, 28.03.2019: The Euro Area: Creating a Stronger Economic Ecosystem