Wie die Welt noch zu retten ist

Gemäss McKinsey-Studie sind Wirtschaftswachstum und Klimaschutz miteinander vereinbar

In der industriellen Revolution im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Arbeitsproduktivität verzehnfacht. Um das Klima zu retten bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum muss die Umwelteffizienz verzehnfacht werden.

Bislang war der Zusammenhang klar: Mehr Wirtschaftsleistung führt zu einem grösseren Ausstoss an Treibhausgasen, insbesondere Kohlendioxid (CO2). Heisst das aber nun, dass die Wirtschaftsleistung eingeschränkt werden muss, um die Klimakatastrophe abzuwenden? Nein, denn dies wäre unmoralisch. Wirtschaftswachstum ist ein moralischer Imperativ: In einer Welt, in der über 800 Millionen Menschen hungern, ist Wachstumsverzicht keine Option. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen und fortgesetztes Wachstum der Weltwirtschaft müssen parallel betrieben werden.

Wie das gehen soll, zeigt nun die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie. Ausgangspunkt ihrer Überlegung ist, dass sich die beiden Ziele – Wirtschaftswachstum und Reduktion der Emissionen – zu einer einzigen Kennzahl zusammenfassen lassen: der CO2-Produktivität. Sie gibt an, wie viel Bruttoinlandprodukt pro Tonne Emissionen erwirtschaftet wird.

Heute wird im Durchschnitt aller Länder pro Tonne CO2-Emissionen 740 Franken Volkseinkommen erarbeitet. Wächst die Weltwirtschaft weiter wie bisher (mit 3,1 Prozent pro Jahr) bei gleichzeitiger Reduktion der CO2-Emissionen auf ein nachhaltiges Niveau, muss diese CO2-Produktivität massiv erhöht werden – auf 7300 Franken pro Tonne CO2 im Jahr 2050. Das ist zehnmal mehr als heute (siehe Grafik). Einen ähnlichen Produktivitätssprung hat es bereits einmal gegeben: In der industriellen Revolution wurde die Arbeitsproduktivität verzehnfacht. Dies geschah innert 125 Jahren. Die CO2-Revolution muss aber in 42 Jahren geschafft sein. Bis dann muss der CO2-Ausstoss pro Tag auf sechs Kilo pro Person reduziert werden. Heute entspricht das gerade mal zwei Mahlzeiten mit Fleisch. Wie aber lässt sich ebendiese Produktivität im erforderlichen Ausmass steigern? Wie schon bei der industriellen Revolution sind Anpassungen in vielen Bereichen erforderlich. Für die McKinsey-Leute sind folgende Massnahmen zentral:

  • Handel mit Verschmutzungsrechten: Nur was etwas kostet, ist auch etwas wert. Wer also CO2 in der Atmosphäre entsorgt, muss sich ein Verschmutzungsrecht kaufen. So bekommt die Umwelt einen Preis und fliesst in die Kauf- und Investitionsentscheidungen von Millionen Konsumenten und Unternehmen mit ein.
  • Energiesparen: Die billigste Massnahme, um die Emissionen zu reduzieren, ist Energiesparen. Wärmedämmung, Energiesparlampen, energieeffiziente Fahrzeuge sowie der Abbau von Energiesubventionen in vielen Ländern sind nicht nur umweltfreundlich, sondern auch lukrativ.
  • CO2-Abscheidung und Speicherung, kurz CCS (Carbon Capture and Storage): Kohle hat die schlechteste CO2-Bilanz von allen fossilen Brennstoffen. Und doch ist sie unerlässlich, sind die Leute von McKinsey überzeugt. In China allein gehen jede Woche ein bis zwei neue Kohlekraftwerke ans Netz. So bleibt einzig Schadensbegrenzung, indem das CO2 eingefangen und anschliessend entsorgt wird.

Ähnlich wie die industrielle Revolution wird die CO2-Revolution alle Länder und Wirtschaftsbereiche verändern. Dabei sind die volkswirtschaftlichen Kosten erstaunlich moderat: McKinsey schätzt, dass im Jahr 2030 zwischen 0,6 und 1,4 Prozent des Welteinkommens für die Rettung des Klimas aufgewendet werden müssen. Das entspricht einem Preis von unter 40 Franken pro eingesparter Tonne CO2. Und vielleicht wird es sogar noch billiger. Im Vorfeld des Montreal-Abkommens aus dem Jahr 1987, mit dem die ozonschädigenden FCKWs abgeschafft wurden, waren die Kostenschätzungen viel zu hoch. Statt der geschätzten 21 Milliarden Dollar kostete die Umstellung der amerikanischen Wirtschaft schliesslich nur 2,7 Milliarden.

Die Reduktion der CO2-Emissionen ist ein sehr viel komplexeres Unterfangen als das Verbot einiger ozonschädlicher Substanzen. Trotzdem ist für McKinsey kein Verzicht auf Wirtschaftswachstum erforderlich. Die Welt muss einfach mehr aus den noch zulässigen CO2-Emissionen rausholen. mic

Aus der Basler Zeitung vom 28.06.2008