Der Schwefel und die Weltwirtschaft

Neuer Schwefelgrenzwert für Schifftreibstoff könnte Rezession auslösen

Seeschifffahrt ist dreckig: 15 der grössten Schiffe emittieren mehr Schwefel und Stickstoff als alle Autos der Welt. Das soll sich ändern. Dadurch wird aber der Markt für Raffinerieprodukte durcheinander gewirbelt.

Der Ölpreis hängt vom globalen Wachstum, Kriegen, dem Ölkartell Opec und dessen Verhältnis zu Russland, den US-Frackern und dem realexistierenden Sozialismus in Venezuela ab. Wie diese Faktoren zusammenspielen ist kaum vorhersagbar und dasselbe gilt folglich auch für den Ölpreis. Doch nun sorgt eine Bestimmung der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation IMO für Aufregung an den Märkten: Diese hat beschlossen, dass der Schwefelgehalt im Treibstoff für Schiffe sinken muss – von heute 3,5 Prozent auf noch 0,5 Prozent ab dem 1. Januar 2020. Das klingt zunächst harmlos, da der Schiffsverkehr nur rund fünf Prozent der gesamten Ölnachfrage ausmacht. Für die Weltwirtschaft könnte der neue Grenzwert aber schwerwiegende Konsequenzen haben.

Stahlstadt. Moderne Raffinerien werden die grossen Gewinner des IMO-Schwefelgrenzwerts sein. (Foto: Martin Schachermayer / flickr)
Stahlstadt. Moderne Raffinerien werden die grossen Gewinner des IMO-Schwefelgrenzwerts sein. (Foto: Martin Schachermayer / flickr)

Doch der Reihe nach: Derzeit verbrennen Hochseeschiffe meist Schweröl. Dieses ist so dreckig, dass es erst bei einer Temperatur von 50 bis 60 Grad flüssig wird. Die Seeschiffahrt ist denn auch für 13 Prozent der globalen Schwefel- und für 15 Prozent der Stickstoffemissionen verantwortlich. Um den neuen Schwefelgrenzwert einzuhalten haben die Reeder drei Möglichkeiten: Sie bauen Filter („Scrubber“) ein und verbrennen weiter Schweröl oder sie stellen ihre Flotte auf Flüssiggas um. Beides gilt als teuer. Die dritte Option ist schliesslich der Einsatz von schwefelarmem Schiffsdiesel oder –gasöl. Die Internationale Energieagentur IEA hat nun ausgerechnet, was das für den Verbrauch von Schiffsdiesel bedeutet: Von einem Tag zum anderen steigt die Nachfrage von 0.74 Millionen Fass (159 Liter) auf 1.74 Millionen Fass – pro Tag. [1]

Klippe. Schweröl mit viel Schwefel (HFSO) wird initial vor allem durch Diesel und in geringerem Mass durch Schweröl mit wenig Schwefel (LSFO) ersetzt. Später werden die Reeder aus Sicht von Golman Sachs dann vermehrt in Filter investieren (Scrubbed) um wieder HSFO verbrennen zu können. (Grafik: Goldman Sachs [4])
Klippe. Schweröl mit viel Schwefel (HFSO) wird initial vor allem durch Diesel und in geringerem Mass durch Schweröl mit wenig Schwefel (LSFO) ersetzt. Später werden die Reeder aus Sicht von Golman Sachs dann vermehrt in Filter investieren (Scrubbed) um wieder HSFO verbrennen zu können. (Grafik: Goldman Sachs [4])
„Schifffahrt und Raffinerien sehen sich einer riesigen Herausforderung gegenüber“ schreibt daher die IEA und es sei „nicht klar, wie erfolgreich sie sein werden.“ [2] Klarer sind die Konsequenzen für Besitzer von Dieselautos und Ölheizungen: „Der im Jahr 2020 zusätzlich benötigte Schiffsdiesel wird einen steilen Anstieg des Dieselpreises auslösen. Wir gehen von einer Erhöhung um 20 bis 30 Prozent aus“, so die IEA. [1] Das hat aber auch Konsequenzen für alle anderen Ölprodukte, schreibt Martijn Rats von der US-Investmentbank Morgan Stanley: Es werde „die Raffineriemargen höher treiben und die Ölpreise mitziehen.“ [1] Moderne Raffinerien, die wenig Schweröl als Beiprodukt produzieren, freuen sich denn auch schon auf eine Gewinnbonanza. Der Chef des spanischen Ölkonzerns Repsol, Josu Miguel, erwartet etwa „zwei, drei, vier gute Jahre“. [3] Umgekehrt erwartet die IEA: „Einige simple Raffinerien könnten gezwungen sein zu schliessen.“ [1]

Die sprunghaft steigende Dieselnachfrage könnte auch dramatische Folgen für den Ölpreis haben, warnt Rats: „Die letzte schwerwiegende Knappheit mittlerer Destillate (wie Diesel) ereignete sich Ende 2007, Anfang 2008 und war der kritische Faktor, der den Preis für die Ölsorte Brent nach oben getrieben hat.“ [1] Damals lag der Preis schliesslich bei 140 Dollar und war mitverantwortlich für die darauf folgende Finanz- und Wirtschaftskrise. Ganz so hoch wird der Ölpreis aber nicht steigen, glaubt Rats. Er sagt wegen des Schwefelgrenzwerts einen Anstieg von aktuell 76 auf 90 Dollar im Jahr 2020 voraus. [1] Wie die Weltwirtschaft auf einen Anstieg des Ölpreises um knapp ein Fünftel reagiert, wird sich zeigen. Sicher ist aber, dass die Luft in den Hafenstädten der Welt sauberer wird. mic

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[1] oilprice.com, 16.05.2018: The Regulations That Could Push Oil Up To $90

[2] IEA, April 2018: Oil 2018 – Analysis and Forecasts to 2023 (PDF)

[3] Bloomberg, 21.03.2018: Some Oil Refineries Are Getting a License to Print Money

[4] Goldman Sachs, 30.05.2018: The IMO 2020: Global Shipping’s Blue Sky Moment (PDF)