Der Klimawandel und die Ausserirdischen

Die Menschheit muss schnell erwachsen werden, wenn sie den Planeten noch retten will

Zivilisationen kommen irgendwann an den Punkt, wo sie Verantwortung für ihren Planeten übernehmen müssen oder diesen zerstören. Daran könnten die meisten scheitern, was erklären würde, warum es so wenige Ausserirdische gibt.

„Wo sind sie alle?“ fragte der Physiker Enrico Fermi bei einem Mittagessen mit Kollegen im Jahr 1950. Gemeint waren Ausserirdische. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es auch auf anderen Planeten intelligentes Leben gibt, ist erstaunlich hoch. Gleichzeitig hat die Menschheit aber noch keinen einzigen Hinweis gefunden, dass sie nicht allein ist. Das Fermi-Paradox war geboren. Der Grund für die hohe Wahrscheinlichkeit ist die sehr – sehr – grosse Zahl an Planeten im Universum. Allein in unserer Galaxie gibt es 100 bis 400 Milliarden Sterne. Damit ist die Milchstrasse gerade mal Durchschnitt. Für jeden dieser Sterne gibt es zudem eine weitere Galaxie im All. Damit kommt man auf 10 hoch 22 Sterne (in Zahlen: 10‘000‘000‘000‘000‘000‘000‘000 Sterne). Oder anders: Auf jedes Sandkorn auf der Erde kommen mehr als 1000 Sterne im Universum. [1] Für Leben braucht es aber mehr: einen sonnenähnlichen Stern und einen erdähnlichen Planeten mit flüssigem Wasser. Doch auch deren Zahl bleibt unvorstellbar: Es gibt rund zehn lebensfreundliche Planeten pro Sandkorn. [2]

Auf all diesen Planeten besteht seit Milliarden von Jahren die Möglichkeit, dass sich Leben entwickelt. Wenn dies auf einem Prozent der Planeten geschieht und sich dieses Leben in jedem Tausendsten Fall soweit entwickelt wie auf der Erde, müsste es an intelligenten Ausserirdischen nur so wimmeln. Allein in unserer Milchstrasse gäbe es 10‘000 Planeten mit Bewohnern, die mindestens so intelligent sind wie wir. [5] Doch bekanntlich hat die Menschheit bislang noch keine Spur dieser galaktischen Mitbewohner entdeckt. Für diesen Gegensatz gibt es zwei Erklärungen: Entweder wir haben die vielen Ausserirdischen bislang übersehen oder es gibt eben doch viel weniger von ihnen. Für ersteres gibt es mehrere mögliche Erklärungen: Vielleicht verstecken sich intelligente Ausserirdische, um etwa marodierenden Raumpiraten zu entgehen. Vielleicht sind wir aber auch einfach noch zu dumm, um unsere superintelligenten Mitbewohner wahrzunehmen. In den Weiten des Internets beliebt, ist zudem die These: Wir sind längst in Kontakt mit Ausserirdischen, aber die US-Regierung hält dies geheim.

Alien dude.  Wenn relativ viele Ausserirdische gibt, haben wir tendenziell ein geringeres Problem, als wenn es keine (mehr) gibt. (Grafik: liftarn / openclipart)
Alien dude. Wenn relativ viele Ausserirdische gibt, haben wir tendenziell ein geringeres Problem, als wenn es keine (mehr) gibt. (Grafik: liftarn / openclipart)

Kritischer wäre hingegen, wenn es viel weniger intelligente Wesen im All gäbe. Dies setzt einen „grossen Filter“ voraus, der die Entwicklung oder das Überleben solcher Wesen verhindert. Dieser könnte ganz am Anfang der Evolution liegen: Vielleicht ist es eben doch extrem unwahrscheinlich, dass überhaupt Leben entsteht. Er könnte aber auch später kommen etwa beim Sprung vom Affen zum Mensch. Beides könnte uns egal sein, denn dann läge der „grosse Filter“ ja bereits hinter uns. Schlechter wäre der umgekehrte Fall, wenn der Filter noch vor uns liegt. Dann würden zwar immer wieder intelligente Wesen entstehen, aber diese würden nicht lange genug überleben, um weit ins All vorzustossen. Möglich wäre etwa, dass Wesen wie wir die Neigung haben, sich per Atomkrieg wieder auszurotten. Vielleicht gibt es aber auch in der Entwicklung technologiebasierter Zivilisation wie der unsrigen eine Sollbruchstelle, die nur wenige überwinden können.

Das ist die These, die der Astrophysiker Adam Frank in seinem neuen Buch „The Light of the Stars“ (Das Licht der Sterne) ausführt. [6] Für Frank ist die Sollbruchstelle der Klimawandel. Wir seien „kosmische Teenager, eine sehr junge Spezies, die gerade erwachsen wird“ und der Klimawandel markiere die Schwelle zum Erwachsenenalter: „Wenn man eine technologische Zivilisation ist wie wir, dann ist es unvermeidlich, dass man einen Wandel des Klimas anstösst“, sagte Frank gegenüber dem US-Magazin National Geographic. [7] „Jede junge Zivilisation löst ihre Version des Anthropozäns aus und daher sind wir kosmische Teenager.“ Mit Anthropozän oder „Menschenalter“ bezeichnet man die neueste geologische Epoche, da nun der Mensch für die wesentlichen Veränderungen der Geologie verantwortlich ist. Doch genau dieser Übergang zum Anthropozän könnte der „grosse Filter“ sein, der dafür sorgt, dass es im Universum eben doch nicht an intelligentem Leben wimmelt. „Wir haben genug Macht über den Planeten, um diesen zu verändern, aber es ist nicht sicher, dass wir die nötige Weisheit haben, um diesen schwierigen Übergang zu meistern. Wir müssen dringend unsere Zivilisation anpassen, damit sie wirklich nachhaltig wird.“ [7]

Dass der Klimawandel tatsächlich der grosse Filter sein könnte, an dem auch unsere Zivilisation letztlich scheitert, zeigt eine neue Studie mit dem Titel „Pfade des Erdsystems im Anthropozän“. [8] Darin zeigen Johan Rockström, Kodirektor in spe des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), und andere, dass es einen Kipppunkt geben könnte, ab dem sich die Klimaerwärmung selbst verstärkt. Wird dieser Punkt erreicht, steigt die Temperatur um mehr als fünf Grad und die Erde erlebt eine „Heisszeit“. Wo der Schwellenwert liegt, sei unsicher, „aber er könnte nur Jahrzehnte in der Zukunft liegen bei einer Klimaerwämung von rund zwei Grad“. [8] Die Konsequenzen wären katastrophal: „Eine Heisszeit birgt letztlich ein grosses Risiko für die Bewohnbarkeit des Planeten für Menschen.“ [8] Sollte der Klimawandel wirklich der „grosse Filter“ sein, der das Fermi-Paradox erklärt, stünde die Prognose für die Menschheit schlecht: Das würde bedeuten, dass die meisten Zivilisationen am Übergang in „ihr“ Anthropzän scheitern und es deswegen so wenige Ausserirdische gibt. Aber vielleicht wird die Menschheit ja schnell genug erwachsen, denn: „Eine kollektive Anstrengung der Menschheit ist erforderlich, um das Erdsystem in einem bewohnbaren Zustand zu stabilisieren.“ [8] Wir kosmischen Teenager stehen also vor einer Wahl: Entweder wir übernehmen Verantwortung oder wir gehen unter – „Verantwortung für das gesamte Erdsystem – die Biosphäre, das Klima und die Gesellschaften“. [8] Es war noch nie leicht ein Teenager zu sein. mic

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[1] Gemäss [2] gibt es 7.5 mal 10 hoch 18 Sandkörner auf der Welt.

[2] NPR, 17.09.2012: Which Is Greater, The Number Of Sand Grains On Earth Or Stars In The Sky?

[3] Gemäss [4] sind 5 bis 20 Prozent der Sterne “sonnenähnlich”. Von diesen haben wiederum 22 Prozent einen “erdähnlichen” Planeten. Das heisst, 1 Prozent aller Sterne hat einen erdähnlichen Planeten. Bei 10 hoch 22 Sternen haben folglich mindestens 10 hoch 20 einen erdähnlichen Planeten.

[4] WaitButWhy, 21.05.2014: The Fermi Paradox

[5] 1 Prozent der 100 Milliarden Sterne in der Milchstrasse haben einen erdähnlichen Planeten. Folglich gibt es davon eine Milliarde. Auf einem Prozent entwickelt sich Leben, also auf 10 Millionen. Auf jedem Tausendsten davon wird dieses Leben so intelligent wie wir, also auf 10’000 Planeten.

[6] Adam Frank, Juni 2018: The Light of the Stars – Alien Worlds and the Fate of the Earth

[7] National Geographic, 27.07.2018: Are We Alone? Maybe. The Better Question Is, Can We Survive?

[8] Will Steffen et al. in PNAS, 06.08.2018: Trajectories of the Earth System in the Anthropocene