Eine Steuer, sie zu knechten

Republikaner diskutieren einzigartige, neue Steuer

In Europa geht die Angst um. Die US-Republikaner diskutieren derzeit eine Reform der Firmenbesteuerung, die wie ein Importzoll und eine Exportsubvention wirken würde.

Der amerikanische Exzeptionalismus erstreckt sich auch aufs Steuerrecht. So haben die USA keine Mehrwertsteuer und besteuern auch Unternehmensgewinne, die im Ausland angefallen sind. Daher bunkern Firmen wie Apple Milliarden im Ausland, da bei einer Überweisung in die USA die US-Körperschaftssteuer von 35 Prozent fällig würde. Dieser Satz ist ungewöhnlich hoch, höher als in allen anderen Industriestaaten. [1] US-Präsident Donald Trump strebt daher eine grosse Steuerreform an. Dabei sollen die Steuersätze gesenkt und die Steuerbasis verbreitert werden. Das will auch Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses. In seinem Vorschlag für die Steuerreform wird die Besteuerung der Gewinne von US-Firmen im Ausland abgeschafft. [2] Das ist unkontrovers. Anders sieht es mit seinem Plan für die Körperschaftssteuer aus. Hier sollen nicht länger der Umsatz und die Kosten sondern nur noch inländische Geldflüsse zur Ermittlung des zu versteuernden ‚Gewinns‘ berücksichtigt werden. Neu wäre der ‚Gewinn‘ also der Umsatz im Inland minus die Ausgaben im Inland. Auf diesen ‚Gewinn‘ wären dann laut Ryan-Plan 20 Prozent Steuer fällig.

Der Hammer. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, hat einen einzigartigen Steuerplan vorgelegt. (Foto: US-Regierung)
Der Hammer. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, hat einen einzigartigen Steuerplan vorgelegt. (Foto: US-Regierung)

Dieses System hätte eine massive Veränderung der Besteuerung von Im- und Exporten zur Folge. Ein Beispiel: Eine Autohfirma exportiert ein Auto mit Herstellkosten von 15‘000 Dollar in die USA und verkauft es dort für 20‘000 Dollar. Bislang hätte der Hersteller in den USA einen ‚Gewinn‘ von 5000 Dollar erzielt und bei einem Steuersatz von 35 Prozent 1750 Dollar Steuern bezahlt. Nach dem neuen System würden hingegen 20 Prozent Steuern auf die gesamten 20‘000 Dollar Verkaufspreis anfallen. Der US-Fiskus bekäme also 4000 Dollar. Bei Exporten einer US-Firma wäre es genau umgekehrt: Verkauft ein US-Hersteller ein Mobiltelefon für 200 Dollar im Ausland, zählt dieses Geld nicht zu seinem Umsatz. Gleichzeitig bekommt er aber für die Herstellkosten von 150 Dollar eine Steuergutschrift von 20 Prozent oder 30 Dollar.

Die von Ryan vorgeschlagene ‚Grenzanpassug‘ würde folglich wie ein Importzoll von 20 Prozent und wie eine Exportsubvention von 20 Prozent wirken. Das lohnt sich für die USA. Wegen des Handelsdefizits wären die Einnahmen aus dem Importzoll höher als die Ausgaben für die Exportsubvention. Die USA haben derzeit ein Handelsbilanzdefizit in Höhe von drei Prozent des BIPs. Eine 20 Prozent Steuer auf dieses Defizit würde folglich 0,6 BIP-Prozente an Einnahmen generieren, gut 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Für Länder mit einem Exportüberschuss wie Deutschland wäre ein derartiges Steuersystem hingegen äusserst kostspielig: Die Exportsubventionen würden die Importzölle bei weitem übersteigen.

Aus Ryans Sicht hat das System noch weitere Vorteile abgesehen von den Mehreinnahmen. Konzerne wie Apple könnten ihre Gewinne nicht länger in Steueroasen ‚verstecken‘, indem sie ihre Patente dorthin auslagern. Ausserdem will Ryan, dass Investitionen sofort als Ausgaben vom aktuellen Gewinn abgezogen werden können und nicht über Jahre abgeschrieben werden. Dies hätte zur Folge, dass mehr investiert wird. Mehr investiert würde natürlich auch von ausländischen Herstellern, die ihre Fertigung in den USA ausbauen, um den Importzoll zu vermeiden. Schliesslich meint Ryan, mit der ‚Grenzanpassung‘ dafür zu sorgen, dass US-Exporteure auf den Weltmärkten gleich lange Spiesse haben. Denn die Mehrwertsteuer kennt ebenfalls eine Grenzanpassung. Wer ein Gut exportiert, bekommt die bereits bezahlte Mehrwertsteuer zurück erstattet. Für Ryan ist dies eine Exportsubvention.

Falls die USA Ryans Plan umsetzen, würde man erwarten, dass Importe 20 Prozent teurer werden und US-Exporte 20 Prozent billiger. Dies wäre aber nur bei fixen Wechselkursen der Fall. Bei frei schwankenden Wechselkursen sieht das Bild anders aus: Manche ökonomischen Modelle lassen erwarten, dass der US-Dollar wegen des neuen Steuersystems um 25 Prozent steigen würde, denn die USA würden mehr Waren im Ausland verkaufen und damit die Dollarnachfrage anheizen, während sie weniger Waren aus dem Ausland einkaufen. Diese Wechselkursanpassung hätte massive Folgen für alle Ausländer mit US-Dollar Schulden oder Guthaben. Ein Gewinner wäre Chinas Nationalbank. Deren Währungsreserven wären plötzlich 25 Prozent mehr wert. Verlierer wären hingegen viele Firmen in Schwellenländern, die sich in US-Dollar verschuldet haben. Manche warnen daher, dass Ryans Steuerplan eine globale Schuldenkrise auslösen könnte. Andere zweifeln hingegen den Effekt auf den Wechselkurs an, wie Adam Posen, der Chef des US-Think Tanks ‚Peterson Institute‘: „Der Anteil des Devisenhandels, der mit dem Güterhandel zu tun hat, ist ein Zehntel oder ein Zwanzigstel des Umsatzes an den Finanzmäkten. Die Idee, dass diese ‚Grenzanpassung‘ einen grossen Effekt auf den Wechselkurs hat, ist vollkommen verrückt. Und falls der Wechselkurs nicht steigt, dann ist dies ein totaler Angriff auf den Rest der Welt.“ [3]

Ob es zu diesem Angriff kommen wird, ist noch unklar. US-Importeuere wie Walmart bekämpfen Ryans Plan, während sich US-Exporteure wie Coca Cola dafür einsetzen. Donald Trump fand Ryans Vorschlag bislang für „zu kompliziert“. [4] Ausserdem droht Widerstand im Senat. Der US-Senator Billy Graham meint Ryans Plan „bekommt keine zehn Stimmen im Senat“. [5] Senator David Perdue warnt derweil vor den Folgen für Bauern: „Wenn man einen Bauern fragt, was die ‚Grenzanpassung‘ für ihn bedeutet, dann wird er versuchen dir sofort seinen Hof zu verkaufen.“ [5] Senator Tom Cotton versucht derweil Ryan als Intellektuellen zu outen: „Manche Ideen sind so dumm, dass sie nur ein Intellektueller glauben kann.“ Viele Senatoren haben zudem angekündigt, keiner Reform zuzustimmen, die die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verletzt. Das würde Ryans Plan vermutlich tun. Ob dies Trump davon abhalten wird, Ryans Vorschlag aufzugreifen, bleibt abzuwarten. Trump hat für die kommenden Wochen einen eigenen – „phänomenalen“ – Steuerplan angekündigt. [7] mic

 

Alles DBCFTWBA, oder was?

Beim Vorschlag von Paul Ryan (siehe Artikel) handelt es sich um eine ‚destination-based cash flow tax with border adjustments‘ oder kurz DBCFTWBA. Auf deutsch ist dies in etwa eine ‚ortsbezogene Cash Flow (Bargeldfluss) Steuer mit Grenzanpassungen‘. Sie geht zurück auf eine Idee des US-Ökonomen Alan Auerbach von der Berkeley Universität in Kalifornien aus dem Jahr 2010. [8] Sein Ziel war, eine Körperschaftssteuer zu entwickeln, bei der Firmen nicht die Möglichkeit haben ihre Gewinne in Steueroasen zu verschieben. mic

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[1] OECD, Stand 22.02.2017: Table II.1. Corporate income tax rate

[2] Speaker, 24.06.2016: A better way: A pro-growth tax code for all Americans (PDF)

[3] Bloomberg, 11.01.2017: U.S. Border Tax Is a Terrible Economic Idea: Posen

[4] Wall Street Journal, 16.01.2017: Donald Trump Warns on House Republican Tax Plan

[5] The Hill, 19.01.2017: Graham: Ryan tax plan won’t get 10 votes in the Senate

[6] The Hill, 15.02.2017: GOP senator: ‘Serious concerns’ about House border tax plan

[7] Bloomberg, 10.02.2017: White House: Cohn-Led Tax Plan Is Real and It’s Phenomenal

[8] Alan Auerbach, Dezember 2010: A Modern Corporate Tax (PDF)