Vertrag ohne Gebrauchsanleitung

Klimadiplomaten entwickeln Regeln für Umsetzung des Paris Abkommens

Während das Klima von Hitzerekord zu Hitzerekord eilt, beschäftigen sich in Bonn Klimadiplomaten mit den Details des Pariser Klimavertrags. Trotz neuer „Dynamik“ haben sie vier Tage gebraucht, um sich auf die Agenda zu einigen.

„Wir sind in einer neuen Ära.“, sagte die Chefin der UN-Klimakonvention Christiana Figueres zu Beginn der Klimaverhandlungen diese und nächste Woche in Bonn. Zum ersten Mal verhandeln die Länder vor dem Hintergrund des neuen Weltklimavertrags der letztes Jahr in Paris verabschiedet wurde, dem Paris Abkommen. Eine neue Ära erlebt allerdings auch das Klima: Wegen des Klimawandels und des Wetterphänomens El Nino lagen die Temperaturen in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 1,43 Grad über dem Durchschnitt der Jahre um 1880 als die industrielle Revolution begann. [2] Wenn die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ begrenzt werden soll, wie im Paris Abkommen vorgesehen, bleibt also nicht mehr viel Zeit. Da trifft es sich gut, dass Figueres meint: „Wir haben die Dynamik verändert.“ Sie werde heute gefragt: „Warum geht plötzlich Alles so schnell?“ und nicht mehr wie früher: „Warum geht Alles so langsam?“

Frauen Power. Die Verhandlungen werden neu von Sarah Baashar aus Saudi Arabien und Jo Tyndall aus Neuseeland geleitet. (Foto: IISD)
Frauen Power. Die Verhandlungen werden neu von Sarah Baashar aus Saudi Arabien und Jo Tyndall aus Neuseeland geleitet. (Foto: IISD)

Die wichtigste Aufgabe der Klimadiplomaten in Bonn ist es, eine „Gebrauchsanleitung“ für das Paris Abkommen zu schreiben, sagt Alden Meyer von der Umweltorganisation ‚Union of Concerned Scientists‘. Das Abkommen sieht etwa vor, dass die Länder transparent über ihre Emissionen, ihre Klimaschutzmassnahmen und die Bereitstellung von oder den Bedarf an Klimageld berichten. Nun muss festgelegt werden, wer, wann, welche Zahlen, wo meldet. Doch bevor die Verhandler sich mit diesen Details beschäftigen konnten, musste geklärt werden, was eigentlich im Paris Abkommen steht. Dass hier noch unterschiedliche Positionen bestehen, zeigte sich bei der Verabschiedung der Agenda. Die afrikanischen Länder beantragten, dass auch Massnahmen zur Anpassung an den Klimaschutz an die UN-Klimakonvention gemeldet werden. Dem stimmten alle Länder zu. „Doch dann nutzten einige andere Entwicklungsländer die Möglichkeit, um Punkte wieder in Frage zu stellen, die in Paris eigentlich schon geklärt waren.“, sagt Franz Perrez der Leiter der Schweizer Delegation. [1] „Dies hat dazu geführt, dass wir vier Tage gebraucht haben, um die Agenda anzunehmen.“

Ein weiteres wichtiges Thema sind die Modalitäten für die ‚globale Bestandesaufnahme‘ im Jahr 2018. Dann wollen die Länder prüfen, ob die Massnahmen der Länder ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen. Mit den bislang vorliegenden Plänen wird dies nicht gelingen, wie ein Verbund von Forschungsinstituten, der ‚Climate Action Tracker‘, ausgerechnet hat. Die aktuellen Pläne würden zu einer Erwärmung um knapp drei Grad führen. Die Hoffnung ist daher, dass die Länder im Jahr 2018 ehrgeizigere Klimapläne vorlegen. „Dafür müssen die Regeln klar sein.“, sagt Meyer. So müssen die Länder etwa wissen, ob und wie sie Wälder als CO2-Senken anrechnen können. Figueres zeigt sich hier optimistisch, dass die Länder ihre Ziele anheben können: Es sei „vorhersehbar, dass die Länder im Jahr 2018 dazu in der Lage sind, ihre Klimapläne zu verbessern.“ Die EU hat bereits heute ihr Emissionsziel für das Jahr 2020 erreicht und China vielleicht sogar schon sein Ziel für 2030. Ob die Länder ihre Ziele nachbessern, ist letztlich aber „eine politische Frage“ wie Perrez in Bezug auf die Schweiz sagt.

Bevor die Länder ihre Klimaziele nachschärfen können, muss das Paris Abkommen in Kraft treten. Dazu müssen 55 Länder den Vertrag ratifizieren, die mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen ausmachen. Bislang haben dies 16 Länder getan, die allerdings so klein sind, dass sie nur 0,04 Prozent der Emissionen verursachen. [2] China und die USA haben allerdings angekündigt, den Vertrag auch dieses Jahr zu ratifizieren. Dann wären knapp 40 Prozent der Emissionen abgedeckt. Ursprünglich war vorgesehen, dass das Paris Abkommen erst im Jahr 2020 in Kraft tritt. Da viele Länder den Vertrag noch dieses Jahr ratifizieren wollen, besteht aber die Möglichkeit, dass das Abkommen schon sehr viel früher gilt. Ob die EU und die Schweiz von Anfang an dabei sein werden ist derzeit noch unklar. In der EU müssen die Parlamente der 28 Mitgliedsländer sowie das EU-Parlament dem Abkommen zustimmen.

Eine neue Ära ist in Bonn auch für die Klimadiplomatie angebrochen. Die Verhandlungen werden neu von zwei Frauen geleitet: Sarah Baashan aus Saudi Arabien und Jo Tyndall aus Neuseeland. Für Christiana Figueres war Bonn die letzte Klimakonferenz. Figueres wird im Juli durch die Mexikanerin Patricia Espinosa Cantellano abgelöst. mic

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[1] Hier ging es (kurz) darum, ob die (Industrie-)Länder im Rahmen ihrer ‘Nationally Determined Contributions’ (NDCs) über Klimageld berichten müssen. Um diese Frage zu verstehen, muss man sich das geplante Berichtswesen des Weltklimavertrags näher anschauen. Im Paris Abkommen (PA) und in den begleitenden COP-Entscheidungen (1/CP.21) ist an unterschiedlichen Stellen geregelt, welche Berichtspflichten die Länder bezüglich a) Mitigation, b) Adaptation und c) Klimageld haben:

a) Mitigation ist in Artikel 4.2ff des PA geregelt. Dieser legt fest, dass die Länder ‘Nationally Determined Contributions’ (NDCs) aka ‘Klimapläne’ vorlegen müssen. Wie diese aussehen sollen ist aber noch unklar. Daher beauftragen die Paras 26, 28 und 31 von 1/CP.21 die ‘Ad-Hoc Working Group on the Paris Agreement’ (APA) Wegleitungen für die NDCs auszuarbeiten.

b) Adaptation ist in den Artikeln 7.10 und 7.11 des PA geregelt. Dort ist von ‘adaptation communication’ die Rede,

c) Klimageld ist in Artikel 13 des PA geregelt. Hier geht es um einen ‘transparency framework’.

Die afrikanischen Länder hatten nun den Wunsch, Massnahmen zur Anpassung an den Klimaschutz ebenfalls im Rahmen ihrer NDCs melden zu können. Dieser Wunsch wurde in der Agenda berücksichtigt. Punkt 4 lautet dort: Further guidance in relation to the adaptation communication, including, inter alia, as a component of nationally determined contributions (…)

Dies hat nun bei einigen, anderen Ländern den Wunsch geweckt, die Berichterstattung über das Klimageld auch in die NDCs zu integrieren. Diesem Wunsch wurde aber nicht stattgegeben, wie Agendapunkt 5 zeigt: Modalities, procedures and guidelines for the transparency framework for action and support referred to in Article 13 of the Paris Agreement.

[2] Mongabay, 19.05.2016: Warming far outpacing climate action, as UN negotiators meet in Bonn

[2] WRI, Stand 20.05.2016: Paris Agreement Tracker