«100 Mitarbeiter für einen solchen Flug»

Der Chief Network Officer der Swiss erklärt den Aufwand für einen Flug nach Schanghai

Die Swiss wehrt sich gegen eine Einbeziehung des Flugverkehrs in den weltweiten Handel mit CO2-Zertifikaten. Sie befürchtet Wettbewerbsnachteile.

baz: Die Swiss fliegt neu täglich nach Schanghai. Warum fliegen Sie nicht nach Peking?

Harry Hohmeister: Wir haben das genau analysiert. Schanghai hatte in den letzten Jahren das stärkste Wachstum. Ausserdem gibt es eine enorme Konzentration von Schweizer Unternehmen hier in Schanghai.

baz: Wie lange dauern die Vorbereitungen, um eine neue Destination in den Flugplan aufnehmen zu können?

Harry Hohmeister: Eine Flugverbindung wie nach Schanghai ist mit einem KMU vergleichbar. Es bedingt eine Investition von über 150 Millionen Franken nach einem sorgfältigen Businessplan. Ausserdem braucht man mehr als 100 Mitarbeiter alleine bei Swiss, um einen solchen Flug täglich anbieten zu können. Wir haben 2006 mit den Abklärungen begonnen. Mitte letzten Jahres haben wir dann entschieden, nach Schanghai zu fliegen. Zu diesem Zeitpunkt fehlten uns noch die Slots auf dem Flughafen, die Verkehrsrechte, das Flugzeug und die Mitarbeiter.

baz: Welche Fragen mussten hinsichtlich der Verkehrsrechte geklärt werden? Die Swiss und früher die Swissair sind doch schon nach China geflogen.

Harry Hohmeister: Es trifft zu, dass aufgrund des bilateralen Luftverkehrsabkommens Verkehrsrechte bestanden, und Swiss hat bis 2003 Peking bedient. Nun fliegen wir jedoch Schanghai an. Die Verkehrsrechte mussten ausserdem neu geregelt werden, weil Swiss in der Zwischenzeit in die Lufthansa Gruppe integriert worden ist. Mit verschiedenen Ländern hat die Schweiz deswegen die Luftverkehrsabkommen angepasst, so auch im Januar 2007 mit China.

baz: Wer verhandelt mit China über die Verkehrsrechte, die Schweizer Regierung oder die Swiss?

Harry Hohmeister: Verkehrsrechte sind eine bilaterale Angelegenheit zwischen zwei Staaten. Es ist weltweit üblich, dass die Fluggesellschaften in den Verhandlungsdelegationen dabei sind, um die gegenseitigen Bedürfnisse einzubringen. Nach Abschluss der Verhandlungen verhandeln die Fluggesellschaften über die Details.

baz: Vor Kurzem ist das Open-Sky-Abkommen zwischen der EU und den USA in Kraft getreten. Sollte sich die Schweiz diesem Abkommen anschliessen?

Harry Hohmeister: Seit 2002 ist das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz in Kraft, und die Schweiz ist luftverkehrsrechtlich in den liberalisierten Markt der EU integriert. Hingegen sind die Beziehungen zwischen der Schweiz und Drittstaaten nicht Teil dieses Abkommens. Die Schweiz hat schon seit 1996 ein Open-Sky-Abkommen mit den USA, und dieses wird weiterhin die Basis der Verkehrsrechte zwischen den USA und der Schweiz bleiben.

baz: Ist mit weiteren Liberalisierungsschritten zu rechnen?

Harry Hohmeister: Die Liberalisierung findet zurzeit in Regionen statt. Den Anfang machten 1978 die USA, 1997 folgte die EU. Wie weit und wie schnell die Liberalisierung voranschreitet, ist offen. Man muss darauf achten, dass dabei ausgewogene Lösungen gewährleistet sind. Schaut man sich etwa die Verkehrsrechtssituation der Airlines aus dem Mittleren Osten an, zeigt sich, dass diese zum Teil von Marktbedingungen profitieren, die andere Marktteilnehmer klar benachteiligen. Es ist wie in anderen liberalisierten Märkten sicherzustellen, dass es keine unfairen Praktiken gibt.

baz: Wo Sie die Airlines aus dem Golf ansprechen: Das Wachstum von Emirates ist ja tatsächlich sensationell.

Harry Hohmeister: Ich würde die Geschwindigkeit nicht als «sensationell» einordnen. Wenn wir an unserem Drehkreuz die gleichen Bedingungen hätten wie in Dubai, und die Swiss die Flugzeuge unter den gleichen Bedingungen kaufen könnte, wären wir doppelt so profitabel wie heute.

baz: Aber Emirates profitiert doch vor allem auch von der Lage.

Harry Hohmeister: Wenn man sich die Entwicklung der Drehkreuze anschaut, zeigt sich, dass es einen Heimatmarkt mit Potenzial braucht. Ein entsprechender Heimatmarkt ist am Hub der Emirates in Dubai nicht zu erkennen. Emirates setzt in erster Linie auf Umsteigeverkehr und kauft sich so Märkte dazu.

baz: Warum klagen Sie dann nicht, wenn Sie Emirates unfaire Geschäftspraktiken unterstellen?

Harry Hohmeister: Gegen unfair kann man nicht klagen, nur gegen unrechtmässig. Wenn ein Investor sagt, ich möchte mehrere Milliarden in eine Airline investieren, dann ist das ja nicht unrechtmässig. Wenn man sich anschaut, was da an Hotels gebaut wird, kann den Europäern schnell schwindlig werden. Das ist nicht natürlich gewachsen, sondern steht auf einer Kapitalblase.

baz: Im Moment hat die Lufthansa-Gruppe drei Hubs: Frankfurt, München und Zürich. Kann man dieses Multihubsystem weiter ausbauen und zum Beispiel Mailand, Wien und Kopenhagen dazunehmen?

Harry Hohmeister: Wenn man überall Megahubs bauen will, dann wird das mit Sicherheit nicht funktionieren. Der Haupthub steht in Frankfurt und in Zukunft vielleicht auch in München. Alle anderen müssen sich an ihrem Heimatmarkt orientieren. Wenn man sich daran hält und die geografische Lage mitberücksichtigt, dann ist das theoretisch unendlich ausbaubar.

baz: Und welche Airline wäre das spannendste Übernahmeziel, Alitalia, Austrian Airlines, Iberia?

Harry Hohmeister: Ich könnte mir da noch einiges vorstellen, doch hier ist nicht der Platz für Spekulationen. Diese Frage müssen Sie Lufthansa stellen.

baz: Aber die Konsolidierung geht weiter?

Harry Hohmeister: Ja, das ist ganz klar.

baz: Deckt die Star Alliance die Welt so ab, wie Sie sich das wünschen?

Harry Hohmeister: Für uns deckt die Star Alliance sogar mehr ab, als wir brauchen. Von den 20 Mitgliedern arbeiten wir mit vielleicht zehn eng zusammen. Mit den anderen haben wir kaum Überschneidungen. Die Allianz bietet also noch erhebliches Potenzial.

baz: Und die Lücken?

Harry Hohmeister: In Spanien und Frankreich könnte man mehr machen.

baz: Man überlegt sich derzeit die Einbeziehung des Flugverkehrs in den CO2-Zertifikathandel.

Harry Hohmeister: Gilt das dann auch für Emirates?

baz: Wenn sie nach Europa fliegen.

Harry Hohmeister: Das wäre aber unfair. Die fliegen mit fünf Prozent ihrer Verbindungen nach Europa und wir mit 100 Prozent.

baz: Trotzdem muss doch auch die Flugindustrie einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten.

Harry Hohmeister: Wir als Airline haben ein enormes Interesse daran, Treibstoff zu sparen. Mittlerweile sind das ja nahezu 30 Prozent unserer Kosten. Die Politik muss sich aber fragen, inwiefern sie wirtschaftliche Entscheidungen für eine Airline treffen sollte. Ein weltweiter Emissionshandel ist sinnvoll, wenn es darum geht, ein Bewusstsein zu schaffen, dass die Umwelt einen Wert hat und nicht einfach kostenlos ist. Ein solcher Handel darf aber nicht wettbewerbsverzerrend sein. Es darf nicht passieren, dass man aus den Unternehmen Geld abzieht, das für Investitionen gebraucht wird. Dann kann ich mir nicht effizientere Flugzeuge leisten, sondern muss mit den alten Flugzeugen länger fliegen – und diese verbrauchen mehr Treibstoff.

baz: Und wer soll dann mit dem Emissionshandel anfangen?

Harry Hohmeister: Grundsätzlich muss man sich fragen, mit welcher Zielsetzung überhaupt ein Emissionshandel Sinn macht. Das ist heute noch völlig unklar. Wenn der Emissionshandel weltweit zeitgleich eingeführt wird, müssen wir uns damit auseinandersetzen. Aber wie gesagt, so ein Handel darf nicht wettbewerbsverzerrend sein und muss alle Wettbewerber langfristig gleichermassen einbeziehen.

Aus der Basler Zeitung vom 19.05.2008