G20 im Schatten des Terrors

Länder einigen sich darauf, dass die Flüchtlingskrise „ein globales Problem“ ist

Die klassischen G20 Themen wie Wachstum, Steuern und der Klimawandel wurden durch die Terroranschläge in Paris in den Hintergrund gedrängt. Profitiert hat davon vor allem der russische Präsident Vladimir Putin.

Falls der ‚Islamische Staat‘ IS mit den Anschlägen in Paris die Absicht hatte, die Agenda des G20 Gipfels im türkischen Badeort Antalya zu dominieren, dann ist ihm das gelungen. „Der Himmel hat sich verdunkelt durch die entsetzlichen Angriffe in Paris vor anderthalb Tagen.“, sagte US-Präsident Barack Obama nach seiner Ankunft in Antalya. Die Diskussionen am Gipfel drehten sich denn auch vor allem um die Syrienkrise und die Bekämpfung des IS. Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel führten jeweils ein bilaterales Gespräch mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin. Darin versicherten sie sich gegenseitig, dass das Ergebnis der Aussenministerkonferenz vom Samstag in Wien die Grundlage für das weitere Vorgehen ist. Dort wurde beschlossen, eine politische Lösung für die Syrienkrise zu suchen, die die territoriale Integrität des Landes Gewähr leistet. Dazu soll innert sechs Monaten eine Übergangsregierung etabliert werden und spätestens in anderthalb Jahren sollen Wahlen unter UN-Aufsicht statt finden. Um den IS zu schwächen, sollen zudem dessen Geldquellen trocken gelegt und dessen Finanztransaktion verhindert werden.

Schweigeminute. Die G20 Führer gedenken der Opfer von Paris. Anschliessend ging es vor allem um die Syrienkrise und den Kampf gegen den 'Islamischen Staat'. (Foto: Steffen Kugler/bundesregierung.de)
Schweigeminute. Die G20 Führer gedenken der Opfer von Paris. Anschliessend ging es vor allem um die Syrienkrise und den Kampf gegen den ‘Islamischen Staat’. (Foto: Steffen Kugler/bundesregierung.de)

Auffallend war insbesondere die neue Rolle Putins im Vergleich zum G20 Gipfel letztes Jahr im australischen Brisbane. Dort war er wegen der Annexion der Krim und des Abschusses von MH17 isoliert und reiste schliesslich vor Ende des Gipfels ab. In Antalya war er hingegen ein gefragter Mann. Die westlichen G20 Mitglieder wollten ihn davon überzeugen, beim Kampf gegen den IS mitzumachen. Der britische Ministerpräsident David Cameron erklärte die westliche Sicht wiefolgt: „Wir haben unsere Differenzen mit den Russen. Aber die Konversation, die ich mit Vladimir Putin haben will ist: ‚Es gibt einen Punkt, wo wir übereinstimmen. Wir wären sicherer in Russland und sicherer in Grossbritannien, wenn wir den IS zerstören. Darauf sollten wir uns konzentrieren.‘“ Aus diesem Grund ist es auch zunehmend unwahrscheinlich, dass Frankreich wegen der Terroranschläge die Ausrufung des Nato-Bündnisfalls beantragt. Da Russland nicht zur Nato gehört, würde dies eine Kooperation gegen den IS erschweren. Merkel wies allerdings darauf hin, dass die Herausforderung durch den IS „nicht nur mit militärischen Mitteln“ sondern mit einem „Massnahmenbündel“ [1] bewältigt werden soll und Obama bezeichnete die Forderung nach Bodentruppen im Kampf gegen den IS als „Fehler“. [2]

Einen diplomatischen Erfolg konnten die EU und die Türkei erzielen. Das Abschlussdokument des Gipfels hält fest, dass die Flüchtlingskrise „ein globales Problem“ ist, das in einer „koordinierten Weise“ angegangen werden muss. [3] China, Indien und Russland wollten diese Formulierung ursprünglich aus dem Dokument heraushalten. Nun werden jedoch alle Länder dazu aufgerufen „zur Bewältigung der Krise beizutragen durch die Übernahme von Flüchtlingen und humanitäre Hilfe“. [3] Konkret haben Deutschland, England, Norwegen und Kuwait vereinbart im Februar nächsten Jahres eine Geberkonferenz einzuberufen. [4] In einer gemeinsamen Erklärung hielten sie fest: „Die Staatengemeinschaft hat die Verantwortung den 13,5 Millionen bedürftigen Menschen in Syrien und den 4,2 Millionen syrischen Flüchtlingen zu helfen.“ [4] Derzeit sind die UN-Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, die diese Arbeit leisten chronisch unterfinanziert.

Andere Themen rückten an den Rand. Der Klimawandel wurde wie immer als „eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit“ bezeichnet [3], aber konkrete Massnahmen um dieser Herausforderung gerecht zu werden, blieb der G20 Gipfel schuldig. Es gilt bereist als Erfolg, dass die Abschlusserklärung ein Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel beinhaltet: „Gut ist, dass die Zwei-Grad-Begrenzung in letzter Sekunde doch noch in den Text gekommen ist.“, sagt Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimaschutz der Grünen Bundestagsfraktion. „Dieser Nachschub in letzter Minute verdeutlicht jedoch auch, dass selbst dieses Langfristziel keine Selbstverständlichkeit ist.“ Die G20 versprechen zudem „mittelfristig“ „ineffiziente Subventionen für fossile Energien“ abzuschaffen. Dies tun sie seit ihrem ersten Gipfel im Jahr 2009. Seither ist jedoch Nichts geschehen, wie eine Studie des Overseas Development Institutes ODI, einem britischen Think Tank zeigt: Letztes Jahr haben die G20 Länder die fossilen Energien mit 452 Milliarden Dollar subventioniert, während die erneuerbaren mit 121 Milliarden unterstützt wurden. [5] Baerbock beklagt denn auch: „Kein Fortschritt beim Abbau fossiler Subventionen, kein Fortschritt bei der Klimafinanzierung und keine Aussage zur Verbesserung der nationalen Beiträge, um das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung tatsächlich zu erreichen.“ Im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz im Dezember in Paris ist auch Wendel Trio, der Chef der Umweltorganisation CAN Europa, enttäuscht vom G20 Ergebnis: „Jetzt war der Moment, um stark zu sein beim Kampf gegen den Klimawandel. Doch unsere Führer haben hier versagt.“

Fortschritte gab es erwartungsgemäss beim Thema Unternehmenssteuern. Multinationale Konzerne sollen in Zukunft dort Steuern bezahlen, wo sie ihre Gewinne erzielen. Um dies zu erreichen sollen Firmen mit einem Umsatz von über 750 Millionen Dollar Land-für-Land Gewinne und Steuern ausweisen. Bekräftigt wurde zudem das Ziel vom Vorjahr das globale Wirtschaftswachstum bis zum Jahr 2018 um zwei Prozentpunkte zu steigern. Dies soll mit 800 Einzelmassnahmen gelingen, die gemäss Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bereits zu einem „erheblichen Teil“ umgesetzt wurden. Entschieden wurde zudem wer, den G20 Vorsitz im Jahr 2017 übernimmt: Deutschland. Am Rande des Treffens einigte sich schliesslich die EU mit Australien darauf, im Jahr 2017 Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen. „Ein solches Abkommen ist ein sehr wichtiger Schritt für uns.“, sagte der neue australische Premierminister Malcolm Turnbull. [6] mic

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[1] Reuters, 16.11.2015: G20 agreed must fight terrorism with multiple tools, Merkel says

[2] Reuters, 16.11.2015: G20 vows joint security steps after Paris attacks; no new strategy on Syria

[3] G20, 16.11.2015: G20 Leaders’ Communiqué (PDF)

[4] Reuters, 16.11.2015: Britain, Germany to host Syria donor conference in 2016

[5] Overseas Development Institute, Oil Change International, November 2015: Empty promises – G20 subsidies to oil, gas and coal production (PDF)

[6] The Guardian, 15.11.2015: Australia to launch free trade talks with EU in 2017