China sogt für starke Schwankungen des Kohlepreises

Indien könnte im Jahr 2050 aus der Kohle aussteigen, wenn die Kosten für Wind- und Solarstrom weiter fallen

In der zweiten Hälfte des letzten Jahres ist der Kohlepreis plötzlich stark gestiegen, obwohl die Kohlenachfrage in China und den USA sinkt und selbst in Indien der Kohleausstieg in den Blick rückt. Grund für den Preisanstieg war eine Verknappung des Kohleangebots durch Chinas Regierung.

Sechs Jahre lang kannte der Kohlepreis nur eine Richtung: nach unten. Im Januar 2011 kostete eine Tonne Kohle für Kraftwerke 142 Dollar. Im Juni 2016 lag der Preis bei 57 Dollar. Doch dann wurde Kohle plötzlich schnell teurer: Im November 2016 kostet eine Tonne 107 Dollar. Seither geht es wieder bergab. Im Moment bekommt man eine Tonne schon für 90 Dollar. Grund für den massiven Preisanstieg in der zweiten Hälfte des letzten Jahres war das Kohleangebot. China hatte die Auflagen für Kohleminen verschärft: Die Minen durften nicht länger am Wochenende durcharbeiten und viele kleinere Minen wurden gleich ganz stillgelegt. Der Preisanstieg war dabei durchaus gewollt. Chinas Kohlekonzerne sind oft in Staatsbesitz und eigentlich bankrott. Doch die kommunistische Regierung fürchtet Massenentlassungen und hält die ‚Zombiefirmen‘ daher mit Krediten von ebenfalls staatseigenen Banken am Leben. Ende letzten Jahres hielt Peking den Kohlepreis dann aber doch für etwas zu hoch und hat die Auflagen für die Minen wieder gelockert. Seither sinkt der Preis wieder. Ein Grund für das Umdenken in Chinas Regierung dürfte auch der Preis für Kokskohle gewesen sein, die bei der Eisenverhüttung zum Einsatz kommt. Der Preis für Kokskohle hatte sich von Juni bis November 2016 beinahe vervierfacht auf über 300 Dollar pro Tonne. Das wiederum setzte der Stahlindustrie zu, die weltweit unter enormen Überkapazitäten leidet.

Achterbahn. Wer im Juni 2016 Kohle gekauft und im November wieder verkauft hat, ist jetzt ein bisschen reicher. (Daten: Weltbank, Grafik: mic)
Achterbahn. Wer im Juni 2016 Kohle gekauft und im November wieder verkauft hat, ist jetzt ein bisschen reicher. (Daten: Weltbank, Grafik: mic)

Auf der Nachfrageseite verdüstert sich der Ausblick für den Kohlepreis derweil immer mehr. Die Hoffnungen der Kohleindustrie lagen bislang darauf, dass die Kohlenachfrage in Indien deutlich steigen wird, dem drittgrössten Kohlemarkt der Welt. Noch haben 240 Millionen Inder keinen Stromanschluss und viele andere leiden unter regelmässigen Stromunterbrüchen. Doch nun hat Teri, ein indisches Forschungsinstitut, ausgerechnet, dass das Land voraussichtlich keine zusätzlichen Kohlekraftwerke mehr braucht. [1] Derzeit sind Kohlemeiler mit einer Kapazität von 50 Gigawatt im Bau. Gemäss Teri ist damit der Strombedarf bis 2026 gedeckt. „Indien hat ein Zeitfenster von zehn Jahren, in dem keine neuen Investitionen in Kohle, Gas oder Atomkraft wahrscheinlich sind“, sagte Teri-Chef Ajay Mathur. [2] Gleichzeitig fallen die Kosten von Wind- und Solarstrom kontinuierlich – ebenso wie die Kosten für Batterien. Teri schätzt, dass die Kosten für Strom aus erneuerbaren Quellen und die nötigen Stromspeicher bis zum Jahr 2027 auf fünf Rupien (sieben Euro-Cent) pro Kilowattstunde (kWh) fallen werden. In diesem Fall wäre der Neubau von Kohlekraftwerken nach 2026 nicht mehr wirtschaftlich. Damit rückt Indiens Kohleausstieg in Sicht, so Mathur: „Indiens Stromerzeugung könnte im Jahr 2050 Kohle-frei sein.“ [3] Benjamin Sporton, der Chef der ‚World Coal Association‘, einem Industrieverband, sieht das anders: „Indiens Energiebedarf ist zu gross für Überlegungen, dass es in Zukunft keine Kohle mehr brauchen würde.“ [4]

Klima-Engel. Hier versuchen Klimaaktivisten den Kohlehafen von Newcastle in Australien lahmzulegen. Das ist ihnen aber nur für sechs Stunden gelungen. (Foto: Break Free / Flickr)
Klima-Engel. Hier versuchen Klimaaktivisten den Kohlehafen von Newcastle in Australien lahmzulegen. Das ist ihnen aber nur für sechs Stunden gelungen. (Foto: Break Free / Flickr)

Doch auch andere Länder kommen mit immer weniger Kohle aus: Im grössten Kohlemarkt der Welt, China, hat die Nachfrage bereits im Jahr 2013 ihren Höhepunkt erreicht, glaubt die Internationale Energieagentur (IEA). Das hindert das Land aber nicht daran, weiter in zusätzliche Kohlemeiler zu investieren. Der aktuelle Fünf-Jahres-Plan sieht einen Kapazitätsausbau bis zum Jahr 2020 auf 1100 GW vor. [5] Geplant hatten die Stromkonzerne aber deutlich mehr, weswegen die Regierung die Genehmigungen für 104 Kohlemeiler annuliert hat. [5] Wegen des Zubaus bei der Kohle und dem Ausbau der Erneuerbaren sei aber damit zu rechnen, dass viele Kohlekraktwerke die meiste Zeit still stehen, warnt Carbon Tracker, ein Umweltorganisation. Bereits heute seien Chinas Kohlekraftwerke nur zu 45 Prozent ausgelastet. [6] Im zweitgrössten Kohlemarkt, den USA, geht die Kohleverstromung ebenfalls seit Jahren zurück. Grund dafür sind hier die niedrigen Gaspreise und da der neue US-Präsident Donald Trump Fracking erleichtern will, dürfte dem Land die Schiefergasschwemme erhalten bleiben. In Europa könnten schliesslich die Klimapolitik der Kohle den Garaus machen. Das Forschungsinstitut Climate Analytics hat ausgerechnet, dass die EU bis zum Jahr 2030 aus der Kohle aussteigen muss, wenn sie ihren Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nachkommen will. [7] Vor diesem Hintergrund hat der Bergbaukonzern Rio Tinto weitsichtig gehandelt, indem er die aktuell relativ hohen Preise genutzt hat, um sich von seinen australischen Kohleminen zu trennen. [8] Der Käufer, ‚Yanzhou Coal Mining‘ aus China, wird sich hingegen dafür einsetzen müssen, dass Peking wieder die einheimische Förderung drosselt. mic

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[1] Teri, 13.02.2017: Transitions in Indian Electricity Sector (PDF)

[2] Teri, 13.02.2017: India has a 10-year window in which no new investments likely in coal, gas or nuclear capacities (PDF)

[3] Financial Times, 13.02.2017: India optimistic of being coal-free by 2050

[4] WCA, 13.02.2017: WCA CEO comments on the publication of TERI report

[5] Vox, 17.01.2017: China’s war on coal continues — the country just canceled 104 new coal plants

[6] CarbonTracker, 27.11.2016: Chasing the Dragon? China’s coal overcapacity crisis and what it means for investors

[7] ClimateAnalytics, Februar 2017: Coal phase out in the European Union

[8] Nikkei, 09.02.2017: Rio Tinto offloads assets while the (coal) price is right