Der Krisengipfel

G20 Länder sehen sich vier Krisen gegenüber: der Wachstums-, Syrien-, Flüchtlings- und Klimakrise

Die G20 wurde gegründet, um der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 zu begegnen. Das ist ihr gelungen, doch aus dem Krisenmodus kommt sie dennoch nicht.

Für den türkischen Präsidenten Recep Erdogan läuft es derzeit richtig gut: Er hat gerade eben eine Wahl gewonnen; dank der Flüchlingskrise ist er ein gefragter Mann in Europa und jetzt darf er auch noch den prestigeträchtigsten Anlass des politischen Kalenders ausrichten: Am Sonntag und Montag findet im türkischen Badeort Antalya der G20 Gipfel statt. Dort werden die Führer der 20 grössten Wirtschaftsmächte der Welt zuerst prüfen, was aus den Beschlüssen des letzten Gipfels geworden ist. Letztes Jahr hatten sie im australischen Brisbane einen Aktionsplan verabschiedet, der das globale Wirtschaftswachstum mit 800 Einzelmassnahmen bis zum Jahr 2018 um zwei Prozentpunkte erhöhen soll. Davon ist aber nichts zu spüren. Der Internationale Währungsfonds erwartet für dieses Jahr ein Wachstum der Weltwirtschaft von 3,1 Prozent. Das sind 0,3 Prozent weniger als im letzten Jahr. Die Industrieländer wachsen etwas schneller aber das wird durch den Wachstumsrückgang in den Schwellenländern mehr als kompensiert. Zudem haben die Gefahren für die Weltwirtschaft zugenommen: „Wegen der sinkenden Rohstoffpreise, der sinkenden Wechselkurse der Währungen von Schwellenländern und wegen der immer stärkeren Kursausschläge an den Finanzmärkten hat das Risiko einer weiteren Verschlechterung zugenommen.“ [1] Kurz, es gibt etwas zu bereden.

Plan. Die Führer der Welt legen mal wieder den Kurs fürs nächste Jahr fest. Ob dabei ein so schöner Plan wie bei Piri Reis rauskommt, ist allerdings noch nicht sicher. (Karte: Der Hafen von Antalya von Piri Reis)
Plan. Die Führer der Welt legen mal wieder den Kurs fürs nächste Jahr fest. Ob dabei ein so schöner Plan wie bei Piri Reis rauskommt, ist allerdings noch nicht sicher. (Karte: Der Hafen von Antalya von Piri Reis / Wikipedia)

Beim Eröffnungsbankett soll aber über ein anderes Thema gesprochen werden: Flüchtlinge. Die Türkei beherbergt über zwei Millionen Flüchtlinge und Hunderttausende ziehen derzeit nach Europa. „Die G20 muss die Dimension des Problems anerkennen und die Tatsache, dass es sich um ein globables Thema handelt.“, sagte ein ungenannter EU Diplomat gemäss der Nachrichtenagentur Reuters. [2] „Wir wollen Zusagen von allen Ländern am Tisch sehen, Flüchtlinge aufzunehmen.“ Das wird allerdings nicht einfach: „Wir verstehen, dass dieser Antrag ziemlich schwer zu verkaufen ist.“ Einige Länder gehen aber bereits mit gutem Beispiel voran: Der neue kanadische Premierminister Justin Trudeau hat angekündigt, dass Kanada bis zum Ende dieses Jahres 25‘000 Syrer aufnimmt und die Präsidentin Brasiliens hat gesagt: „In Zeiten der Krise müssen wir Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen.“ Möglicherweise werden die G20 Länder auch zusätzliches Geld für das UN-Flüchtlingshilfswerk und das Welternährungsprogramm bereitstellen. Diese beiden Organisationen tragen die Hauptlast bei der Versorgung von Flüchtlingen in den Nachbarländern Syriens sind jedoch chronisch unterfinanziert: Eigentlich hätten sie dieses Jahr 4,5 Milliarden Dollar gebraucht. Davon haben sie aber bislang nur 45 Prozent bekommen. [3] Das Resultat: Den Flüchtlingen werden die Nahrungsmittelrationen gekürzt. Beim G20 Gipfel steht aber nicht nur die Flüchtlingskrise sondern auch deren Ursache, der Bürgerkrieg in Syrien, auf der Agenda. Nicht weniger als sechs G20 Länder bombardieren mittlerweile das Land – fünf auf der Seite der Rebellen und Russland auf der Seite der Regierung von Bashar al-Assad. Kurz, auch hier gibt es etwas zu bereden.

Etwas weniger kontrovers sind derweil die Themen Steuervermeidung und Regulierung der Finanzmärkte. Die OECD hat im Auftrag der G20 Länder ein Konzept entwickelt, wie Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen verhindert werden kann. Dank ihrer Tochterfirmen haben Multis derzeit die Möglichkeit ihre Gewinne in Länder zu verschieben, wo die Steuersätze sehr niedrig sind oder gar bei Null liegen. Dies soll in Zukunft erschwert werden, indem Multis Land-für-Land ausweisen müssen, wieviel Gewinn sie ein einem Land gemacht haben und wieviele Steuern sie dort bezahlt haben. Zur Stabilisierung der Finanzmärkte soll derweil ein Aktionsplan des Financial Stability Boards aus Basel angenommen werden. Dieser sieht vor die ‚totale Verlust-absorbierende Kapazität‘ von Banken zu verbessern. Damit soll sicher gestellt werden, dass Banken selber für die Risiken haften, die sie eingehen, und nicht wie in der Finanzkrise 2008 ihre Verluste an den Steuerzahler durchreichen.

Ein weiteres Traktandum der G20 Länder ist das Klima – aus zweierlei Hinsicht. Zum einen bietet der G20 Gipfel die Möglichkeit die Klimakonferenz in Paris vorzubereiten, wo eine neuer Weltklimavertrag beschlossen werden soll. Dies gilt insbesondere für die Klimafinanzierung. Zum anderen werden sich die G20 Länder mit der ‚CO2 Blase‘ an den Finanzmärkten beschäftigen. Wenn die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll, müssen über zwei Drittel der bekannten Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden bleiben. Diese Reserven sind aber in den Börsenkursen der Energiekonzerne ‚eingepreist‘. Wenn die Länder also effektive Klimaschutzmassnahmen beschliessen, könnte die ‚CO2 Blase‘ platzen und ein Börsenbeben auslösen. Um besser Abschätzen zu können welche Finanzinstitute bei diesem Beben in Mitleidenschaft gezogen werden, hat das Financial Stability Board einen Vorschlag zu Handen der G20 erarbeitet. [4] Die Institute sollen offen legen, wieviel Geld sie in Energiekonzerne investiert haben und ob ihnen eine Schieflage droht, wenn diese Investitionen plötzlich massiv an Wert verlieren. „Eine effiziente Reaktion der Märkte auf den Klimawandel und die Klimapolitik muss auf Transparenz beruhen.“, sagt Mark Carney, der Chef der Bank von England und Vorsitzende des Financial Stability Boards. Sonst löst die Lösung der einen Krise gleich die nächste aus. mic

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[1] IWF, Oktober 2015: World Economic Outlook (WEO) – Adjusting to Lower Commodity Prices

[2] Reuters, 10.11.2015: EU expects G20 battle to recognise migration crisis as a global issue

[3] UNHCR, Stand 13.111.2015: Syria Regional Refugee Response

[4] FSB, 09.11.2015: FSB proposes creation of disclosure task force on climate-related risks