Transparenz? Ja, aber …

Kampf gegen Trittbrettfahrer reisst Graben zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wieder auf

Nach dem Vertrag ist vor dem Vertrag. Das Paris-Abkommen sagt, was die Welt beim Klimaschutz machen will. Nun geht es darum, Einigkeit über das ‘Wie?’ zu erzielen.

Das Paris-Abkommen beruht darauf, dass sich Länder freiwillig immer anspruchsvollere Klimaziele setzen. Doch das Papier ist geduldig, auf denen diese Ziele kund getan werden. Vertrauen entsteht erst, wenn die Ziele mit Massnahmen hinterlegt werden und die Länder nachweisen, dass diese auch greifen. Nur so lassen sich Trittbrettfahrer beim Klimaschutz überführen. Das Paris-Abkommen sieht daher einen ‘Transparenzrahmen’ vor. Über dessen Ausgestaltung wird derzeit bei der Klimakonferenz in Marrakesch in einer Arbeitsgruppe verhandelt – der ‘Trittbrettfahrer Task Force’. Wie schwierig das Thema ist, zeigt sich an der Leitung dieser Arbeitsgruppe: Sie wird von einem Amerikaner (Andrew Rakestraw) und einem Chinesen (Xiang Gao) präsidiert. Denn bei den Transparenzregeln tritt der alte Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wieder hervor.

Hallo Nachbar. Zeig mir doch mal, was du so für den Klimaschutz machst. (Foto: the3cats / Pixabay)
Hallo Nachbar. Zeig mir doch mal, was du so für den Klimaschutz machst. (Foto: the3cats / Pixabay)

Viele Entwicklungsländer argumentieren, dass die Elemente der nationalen Klimapläne freiwillig sind und folglich die Berichterstattung über die Zielerreichung ebenfalls dem Gutdünken der Länder unterliegen sollte. Ausserdem seien allzu strenge Kontrollen ein Eingriff in ihre Souveränität. Insbesondere in autoritär regierten Ländern ist Vieles ‘Staatsgeheimnis’, was in Demokratien öffentlich ist. Die Industriestaaten wollen sich damit aber nicht abfinden: Sie fordern, dass alle Länder zeigen, was ihre Klimapolitik bringt. Dem wollen viele Entwicklungsländer aber nur zustimmen, wenn für Industrie- und Entwicklungsländer unterschiedliche Regeln bei der Berichterstattung gelten. Für die Industriestaaten ist dies wiederum ausgeschlossen. Sie betrachten die Überwindung der schematischen Zweiteilung der Welt als grösste Errungenschaft des Paris-Abkommens. Wie schwierig diese Verhandlungen sind, zeigt ein prozedurales Detail: Mitte der ersten Woche wurden die Verhandlungen in dieser Arbeitsgruppe unterbrochen und in ‘informal informals’ verlegt. Dort wird, wie der Namen vermuten lässt, in einem informellen Rahmen über das weitere Vorgehen diskutiert.

Weniger schwierig gestalten sich die Diskussionen über die anderen Kapitel der ‘Bedienungsanleitung’ für das Paris-Abkommen. Dazu zählt etwa die Form Klimapläne. Deren Inhalt wird von den Ländern entschieden aber das Paris-Abkommen verlangt, dass die Pläne einigen formalen Mindestanforderungen genügen. Welche dies sind, wird derzeit in Marrakesch verhandelt. Nachdem die Länder ihre Klimapläne dann beim UN-Klimasekretariat eingereicht haben, soll ein Komitee ihnen bei der Umsetzung ihrer Pläne helfen und sie auf Verbesserungspotentiale aufmerksam machen. Wie dieses Komitee funktionieren soll, ist ebenfalls Gegenstand der aktuellen Verhandlungen. Die Verabschiedung der Bedienungsanleitung wird allerdings nicht in Marrakesch erfolgen. Vorerst geht es nur darum, Arbeitspläne für die Autoren der verschiedenen Kapitel zu entwickeln. Diese sollen sich aber nicht allzu viel Zeit lassen.  “ Wir brauchen eine klare Zusage, dass diese Arbeit 2018 abgeschlossen ist”, sagt Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation.

Denn der nächste Meilenstein in der internationalen Klimapolitik ist für 2018 geplant. Dann kommen drei Ereignisse zusammen: Der Weltklimarat (IPCC) legt seinen Bericht zum 1,5-Grad-Ziel vor. Dieser beantwortet die Fragen: Wie liesse sich die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzen? Was würde das kosten? Das zweite Element ist das oben beschriebene Regelwerk für das Paris-Abkommen. Dieses muss zeigen, wie die globale Emissionsbuchhaltung aussieht; wie Länder CO2-Senken etwa Wälder in ihren Klimaplänen berücksichtigen können; ob Staaten wie die Schweiz die Möglichkeit haben, einen Teil ihrer Emissionen durch Klimaschutz im Ausland zu kompensieren, und eben wie Trittbrettfahrern der Riegel geschoben wird. Mit diesen Regeln werden die Länder dann sehr viel genauere Klimapläne erarbeiten können. Und genau das sollen sie tun, denn das dritte Element des ‘Klimajahres 2018’ ist eine Bestandesaufnahme: Reichen die nationalen Klimapläne, um die Klimaerwärmung auf zwei oder besser 1,5 Grad zu begrenzen? Das Ergebnis ist bereits heute absehbar: Die geplanten Massnahmen werden nicht reichen. Die Länder werden sich folglich ehrgeizigere Klimaziele setzen müssen – freiwillig. Doch dies werden sie nur tun, wenn sie wissen, dass der Nachbar auch macht, was er verspricht. mic

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