Obama setzt auf Freihandel um die US Wirtschaft anzukurbeln

Schon nächstes Jahr könnten Handelsabkommen mit Europa und Asien geschlossen werden

Ein Regierungswechsel in den USA hätte zwei handelspolitische Vorhaben der US Regierung um Monate verzögert. Doch nun können die Verhandlungen ohne Unterbrechung weitergehen. Damit wird im besten Fall schon nächstes Jahr ein Gutteil des Welthandels auf eine neue Grundlage gestellt.

Mit solchen Zahlen wurde schon lange kein US Präsident wiedergewählt: Die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp acht Prozent und das Haushaltsdefizit bei 1,3 Billionen Dollar, eine Zahl mit zwölf Nullen. Im Wahlkampf standen daher die Sozial- und Steuerpolitik im Vordergrund. Wenig Beachtung fand hingegen ein Politikfeld, das massgeblich zur Steigerung des Wirtschaftswachstum und damit zur Reduktion des Defizits und der Arbeitslosigkeit beitragen kann: die Handelspolitik. Dabei könnte schon das kommende Jahr mit den zwei wichtigsten Handelsabkommen seit der Schaffung der Nordamerikanischen Freihandelszone Nafta im Jahr 1994 aufwarten: die USA hoffen 2013 die Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft TPP abschliessen zu können und Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone mit der EU aufnehmen und ebenfalls weitgehend abschliessen zu können. Mit diesen beiden Abkommen würde ein Grossteil des Welthandels auf eine neue Basis gestellt. Und dies ist auch bitter nötig: Die Welthandelsorganisation WTO schätzt, dass sich das Wachstum des Welthandels dieses Jahr auf 3,7 Prozent abschwächt. [1]

Die neue Dynamik in der internationalen Handelspolitik ist einem Eingeständnis des Scheiterns zu verdanken: Eigentlich wollte die Länder der Welt den Handel im Rahmen der WTO liberalisieren. Doch die Verhandlungen der sogenannten Doha Runde sind nach über zehn Jahren gescheitert. „Wir haben gesagt, das Jahr 2011 sei das entscheidende Jahr und wir müssen ehrlich sein: Es hat nicht geklappt.“ sagte der britische Premierminister David Cameron über die Doha Runde. [2] Mehr Erfolg ist hier der TPP beschieden, die seit 2005 parallel zur Doha Runde verhandelt wird. Mittlerweile beteiligen sich 11 Länder an den Verhandlungen: die Nafta Mitglieder, also die USA, Kanada und Mexiko, sowie Australien, Neuseeland, Chile und einige südostasiatische Staaten. Und auch in Japan besteht Interesse bei der TPP mitzumachen, wie Premierminister Yoshihiko Noda am letzten Samstag angekündigt hat. [3] Der grosse Abwesende bei diesen Verhandlungen ist damit China. Das versetzt die USA in eine äusserst komfortable Lage, sagt Shiro Armstrong von der Australian National University: „China wird entweder isoliert oder sieht sich gezwungen, Reformen beim geistigen Eigentum und bei den Staatsbetriebe durchzuführen, um doch beitreten zu können. In beiden Fällen gewinnen die USA.“ [4] Und auch Mike Green, vom Centre for Strategic and International Studies, einem US Think Tank, ist die strategische Dimension der TPP nicht entgangen: Die TPP „ist das Fleisch am Knochen beim Schwenk des aussenpolitischen Fokus der USA nach Asien.“ [5]

Zur grossen Freude der EU, konzentriert sich die Obama Regierung aber nicht ausschliesslich auf die handelspolitische Einhegung Chinas, sondern möchte auch die noch immer wichtigste Handelsbeziehung der Welt weiter stärken: der Handel zwischen den USA und der EU macht rund ein Drittel des Welthandels aus. Bislang galten hier einfach die WTO Regeln, dabei wäre eine weitere Liberalisierung für beide Partner ein erheblicher Gewinn. Nur schon durch eine Reduktion der Zollsätze im Güterhandel auf Null würde das bilaterale Handelsvolumen um knapp ein Fünftel zunehmen. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt BIP der EU um knapp ein halbes Prozent und das US BIP gar um über ein Prozent steigen, wie eine Studie des europäischen Think Tanks Ecipe zeigt. Noch grössere Wohlfahrtsgewinne bieten aber ein Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen und eine Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen. Aber noch ist es nicht so weit, denn einem Freihandelsabkommen mit den USA stehen auch wesentliche Hürden im Weg etwa beim Handel mit Agrargütern. Und bei den nicht-tarifären Handelshemmnissen kommt hinzu, dass beide Partner gleich stark sind, wie Ecipe Direktor Fredrik Erixon sagt: „Die EU und die USA können nicht das tun, was sie in Verhandlungen mit kleineren Ländern tun: einfach verlangen, dass der kleinere Partner die EU oder US Regeln übernimmt.“ Trotzdem ist Michael Froman, Berater für internationale Wirtschaftsfragen im Weissen Haus, optimistisch: „Ich glaube wir können das schnell machen, mit einer Tankfüllung. Wir wissen wo die Hindernisse sind und wie sich diese umgehen lassen.“ Und auch Thomas Donohue, der Chef der US Handelskammer zeigt sich zuversichtlich: „Jetzt ist eine grossartige Zeit für ein Handelsabkommen. Ich spreche oft mit Staatschefs und sehe die Angst in ihren Augen. Sie sorgen sich wie sie ihren Leuten Arbeit geben können, wie sie ihre Wirtschaft in Gang kriegen, was mit der Eurozone passiert.“ Kurz, mit Hilfe der Handelspolitik hofft die Obama Regierung die Wirtschaft wieder flottzumachen und die Weltordnung von morgen vorzuspuren: Mit dem US-EU Freihandel wird der Westen stabilisiert und mit Hilfe der TPP China in die Schranken gewiesen. mic

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[1] WTO, 12.04.2012: Trade growth to slow in 2012 after strong deceleration in 2011

[2] The Sidney Morning Herald, 27.11.2012: Europe eyes us free trade agreement

[3] Yomiuri Shimbun, 11.11.2012: DPJ to add TPP talks to manifesto

[4] The Diplomat, 06.11.2012: The Trans-Pacific Partnership: the Great Divider?

[5] TVNZ, 11.11.2012: Obama will ‘move smartly’ on free-trade deal – specialist