Bangkok bangt um seine Deiche

Regierung scheint die Jahrhundertflut unterschätzt zu haben

Überschwemmungen sind in Thailand keine Seltenheit. Doch das Jahr 2011 droht in die Annalen einzugehen. Mittlerweile sind 269 Menschen den Wassermassen zum Opfer gefallen und die Sorge ist gross, dass auch Bangkok überschwemmt werden könnte.

Die Deiche brechen. Das erste Opfer war wie immer das auf einer Flussinsel gelegene Ayuthaya. In der alten Königsstadt steht das Wasser mittlerweile bis zu sechs Meter hoch. Und gestern war dann Nakhon Sawan dran. Auf einer Länge von 100 Metern ist dort ein zwei Meter hohe Damm gebrochen und jetzt läuft die Stadt langsam voll. Als erstes werden jeweils die Krankenhäuser evakuiert und dann der Rest der Bevölkerung. Thailand wird von den schwersten Überschwemmungen seit 50 Jahren heimgesucht. Mittlerweile sind 269 Menschen ums Leben gekommen. Doch die grosse Frage ist: Halten die Deiche in der 10 Millionen Metropole Bangkok?

Bangkoks Bürgermeister Sukhumbhand Paribatra sieht für seine Stadt eine dreifache Gefahr: ein weiter steigender Wasserspiegel im Chao Phraya, dem mächtigen Fluss der mitten durch die Stadt fliesst, weiterer Starkregen und besonders hohe Fluten im 30 Kilometer entfernten Golf von Thailand. Besonders kritisch werde die Lage am Wochenende und Anfang nächster Woche. Die Thai Regierung errichtet daher zusätzliche Dämme. Ein Problem ist aber, dass der Regierung die Sandsäcke ausgehen. Während Bangkoks Bürgermeister noch am Montag gesagt hatte, die Stadt hätte drei Millionen Säcke in Reserve, kündigte Thailands neue Regierungschefin Yingluck Shinawatra am Dienstag an, alle erhältlichen Sandsäcke aufzukaufen. Und während an manchen Stellen Deiche gebaut werden, bereitet sich die Stadt bereits auf das Schlimmste vor: Knapp 200 öffentliche Gebäude in etwas erhöhter Lage werden für die Aufnahme von Hochwasserflüchtlingen eingerichtet.

Aber auch ohne einen Dammbruch in Bangkok sind die Schäden durch die Überschwemmungen immens: Die Regierung schätzt die Kosten bislang auf knapp ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP. Davon entfällt rund die Hälfte auf die Landwirtschaft und die Hälfte auf überflutete Industrieanlagen. Allein in einem Industriegebiet in der Nähe von Ayuthaya sind 100‘000 Arbeitsplätze in Gefahr. Dort steht unter anderem eine Honda Fabrik mit einer Kapazität von 1000 Autos pro Tag unter Wasser. Und oft fliesst das Wasser auch nur sehr langsam ab. Nach den schweren Überschwemmungen in Bangkok im Jahr 1995 waren manche Stadtviertel erst nach drei Monaten wieder trocken.

Parallel zum Management der Katastrophe werden erste Ideen diskutiert, wie derartige Überschwemmungen in Zukunft verhindert werden können. Der ehemalige Ministerpräsident und ältere Bruder der jetztigen Regierungschefin, Thaksin Shinawatra, schlägt ein integriertes Wassermanagement vor, wo Wasser in der Regenzeit gesammelt wird, um es in der Trockenzeit nutzen zu können. Die Kosten für ein solches System aus Rückhaltebecken, Deichen und Kanälen schätzt er auf 10 Milliarden Euro. Ob das reichen wird hängt aber nicht zuletzt vom Klimawandel ab: Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung schätzt, dass der Meeresspiegel in den nächsten 90 Jahren um 0,75 bis 1,9 Meter steigt. Gleichzeitig sinkt Bangkok aber immer weiter in den weichen Untergrund. Bei einer Stadt, die nur gerade zwei Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist dies eine unglückliche Kombination. Dies gilt umso mehr, wenn wegen des Klimawandels die Extremwetterereignisse zunehmen. mic

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