Die Schweiz importiert immer mehr Umwelt

Europas Konsumenten belasten die globale Umwelt stärker als bislang bekannt, denn Europa ist Umwelt-Importweltmeister

Eine neue Ökobuchhaltung zeigt die Importe und Exporte von Wasser, Land, Rohstoffen und CO2 Emissionen in bislang ungekannter Präzision. Dabei zeigt sich: Die weltweite Umweltbelastung durch den Schweizer Konsum muss um 80 Prozent sinken, wenn die Tragfähigkei des Ökosystems Erde nicht überschritten werden soll.

Die Schweiz ist ein wasserreiches Land mit Flüssen, Seen und Regentagen in allen Jahreszeiten. Nicht alle Länder haben soviel Glück. Trotzdem importiert die Schweiz grosse Mengen Wasser. Für Sie, lieber Leser, werden heute 900 Liter Wasser importiert und morgen auch und übermorgen wieder. [1] Denn der grösste Teil des Wasserverbrauchs entfällt nicht auf duschen, waschen und putzen sondern steckt in den Produkten, die wir konsumieren: In einem Kilo Fleisch stecken über 15 000 Liter Wasser und in einem T-Shirt 2 500 Liter. Aber die Schweiz importiert nicht nur Wasser, sondern auch Land in Form von Lebensmitteln, Rohstoffe und CO2 Emissionen. Jeden Tag verbraucht ein Schweizer 1 025 Liter Wasser, 79 Quadratmeter Land, 85 Kilo Rohstoffe und produziert 43 Kilo CO2, Und davon wird ein Gutteil importiert (siehe Tabelle).

Resoucenverbrauch pro Kopf und Tag
Konsumenten belasten die Umwelt nicht nur in ihrem eigenen Land sondern auch in den Herkunftsländern von importierten Gütern. Dank einer neuen Ökobuchhaltung ist nun die weltweite Umweltbelastung durch die Konsumenten der grössten Länder bekannt.

Damit ist die Schweiz in Europa kein Sonderfall. Im Auftrag der EU haben Wissenschaftler eine detaillierte Ökobuchhaltung für die wichtigsten Länder der Welt erstellt, die Exporte und Importe von Umwelt abbildet. Und diese Studie zeigt, dass Europa der weltweit grösste Umweltimporteur ist: Vom weltweiten Resourcenverbrauch, der durch europäische Konsumenten verursacht wird, sind 45 Prozent des Wassers, 60 Prozent des Landes, 31 Prozent der Rohstoffe und 20 Prozent der CO2 Emissionen importiert. [1] In jeder einzelnen Kategorie ist Europa ‚Importweltmeister‘. Europa importiert also nicht nur russisches Gas, sondern auch afrikanisches Land, chinesisches Wasser und indische CO2 Emissionen. Das erstaunt, denn in Afrika rückt die Sahara vor, in China wird das Wasser knapp und die indischen CO2 Emissionen pro Kopf sind nur ein Zehntel der europäischen.

Arbeiterinnen ernten Tee in Sri Lanka. In einer Tasse Tee stecken 32 Liter Wasser. (Foto: Wikipedia)
Arbeiterinnen ernten Tee in Sri Lanka. In einer Tasse Tee stecken 32 Liter Wasser. (Foto: Wikipedia)

Die Abhängigkeit von Umweltimporten nimmt ausserdem immer weiter zu, wie eine Schweizer Studie zeigt, die die weltweiten Auswirkungen des Schweizer Konsums untersucht [2]: Im Jahr 1996 fielen 56 Prozent der Umweltbelastung durch den Schweizer Konsum im Ausland an. Im Jahr 2011 waren es 73 Prozent. In der Schweiz ist die Umweltbelastung in diesem Zeitraum zwar deutlich gesunken. Doch im Ausland hat der Schweizer Konsum eine immer grösser Umweltbelastung verursacht. Diese beiden Entwicklungen gleichen sich nahezu aus, sodass die gesamte Umweltbelastung durch Schweizer Konsumenten über die 15 Jahre von 1996 bis 2011 in etwa gleich geblieben ist. Dies gilt aber nicht für den Land- und Wasserverbrauch sowie die CO2 Emissionen: Hier ist die weltweite Umweltbelastung durch Schweizer Konsumenten sogar gestiegen. Dabei wird der Schweizer Konsum durchaus ‚grüner‘: Die Umweltbelastung pro Konsumfranken ist in den 15 Jahren um rund 30 Prozent gesunken. Aber das Wirtschaftswachstum hat diesen Effekt wieder aufgefressen.

Damit ist der ökologische Fussabdruck der Schweiz gleich geblieben: Wenn alle Menschen konsumieren würden wie die Schweizer bräuchte die Menschheit fünf Erden [3], wenn sie die Umwelt nicht nachhaltig schädigen will. Die Umweltbelastung durch den Schweizer Konsum muss folglich um rund 80 Prozent reduziert werden. Wie das gehen soll zeigen die diversen Studien allerdings nicht. Klar ist nur, dass die bisherigen Massnahmen nicht zu einer Reduktion der weltweiten Umweltbelastung durch Schweizer Konsumenten geführt haben. Der heilige Gral, steigender Wohlstand bei sinkender Umweltbelastung, konnte also noch nicht gefunden werden. mic

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[1] Arnold Tukker et al., 2014: The Global Resource Footprint of Nations. Carbon, water, land and materials embodied in trade and final consumption calculated with Exiobase 2.1

[2] Schweizerisches Bundesamt für Umwelt, 2014: Entwicklung der weltweiten Umweltauswirkungen der Schweiz

[3] Global Footprint Network