Ölpreis fällt unter 90 Dollar

Schwache Weltwirtschaft und rekordhohe Ölproduktion sorgen für tiefsten Preis seit 2010

Trotz Kriegen und Seuchen ist der Ölpreis in den letzten vier Monaten um knapp ein Viertel gefallen. Das bringt die grossen Ölfirmen und Länder wie Iran und Russland in Schwierigkeiten. Für die Umwelt könnte dies ein Vorteil sein, denn Investitionen in Ölfelder in der Polarregion und der Tiefsee werden nun zurückgestellt.

Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Ölsorte Brent ist am Donnerstag um über drei Prozent auf noch 88,11 Dollar gefallen. [1] Im Juni lag der Ölpreis noch bei mehr als 115 Dollar und hat seither fast ein Viertel eingebüsst. Die Gründe für diesen überraschenden Preisverfall liegen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Zum einen müssen immer mehr Länder ihre Wachstumserwartungen für dieses und nächstes Jahr reduzieren. Dazu gehören Europa, China, Japan, Brasilien und Russland. Und zum anderen ist die Ölproduktion in vielen Ländern rekordhoch. Die USA haben im September 8,9 Millionen Barrel pro Tag produziert, soviel wie zuletzt vor 28 Jahren. [1] Russland produziert nahe seinem Rekord und auch viele Opecländer pumpen soviel Öl aus dem Boden wie sie können. Die vielen schlechten Nachrichten aus Ölförderländern haben da keinen Einfluss auf den Preis, weder der Krieg in Irak und Syrien, noch das Chaos in Libyen, noch der Ebolaausbruch in Westafrika oder die Geländegewinne von Boko Haram in Nigeria. „Wir sehen die Kapitulationsphase im Ölmarkt, wo die Investoren die Realität akzeptieren, dass es ein Angebotsüberschuss gibt.“ sagt Ric Spooner, vom Finanzdienstleister CMC Markets in Sidney. [1]

Nicht nachhaltig: Je tiefer der Ölpreis fällt, desto mehr Öl bleibt im Boden. Insbesondere Projekte in der Polarregion und in der Tiefsee sind schlicht unrentabel. (Foto: Ölpipeline in Alaska, rickz)
Nicht nachhaltig: Je tiefer der Ölpreis fällt, desto mehr Öl bleibt im Boden. Insbesondere Projekte in der Polarregion und in der Tiefsee sind schlicht unrentabel. (Foto: Ölpipeline in Alaska, rickz)

Hinzu kommt, dass Saudi Arabien nicht bereit zu sein scheint, die Ölförderung zu drosseln. Im Gegenteil: Das Königreich hat am 1. Oktober seine Preise für alle Kunden reduziert, um seinen Marktanteil auf dem Ölmarkt zu verteidigen. Der Economist schreibt dazu: „Die meisten Opec Länder befinden sich in einem Preiskrieg.“ [2] Aus Sicht Saudi Arabiens hat ein niedriger Preis zwei Vorteile: Zum einen brauchen Iran und Russland einen Ölpreis von über 100 Dollar um ihre Staatshaushalte auszugleichen. Und zum anderen sind die Förderkosten für US-Schieferöl deutlich höher als in Saudi Arabien. Dort kostet es gerade mal vier Dollar um ein Barrel Öl zu produzieren. Was Saudi Arabien genau vorhat, wird aber noch mindestens sechs Wochen lang ungewiss bleiben. Am 27. November treffen sich die Opecländer in Wien und könnten dann eine Drosselung der Ölförderung beschliessen oder auch nicht. Der iranische Ölminister wollte eigentlich eine Notfallsitzung der Opecländer zu einem früheren Termin anberaumen, konnte sich mit dieser Forderung aber nicht durchsetzen. [3]

Dramatische Folgen hat der niedrige Ölpreis derweil für die sieben grossen Ölfirmen (Shell, BP, Exxon, Chevron, Total, Eni und Statoil). Gemäss Analysten der US-Bank Morgan Stanley haben die sieben letztes Jahr 55 Milliarden Dollar Verlust gemacht, zum grössten Teil wegen grosszügiger Dividenden in Höhe von 53 Milliarden Dollar. [4] Doch eine Reduktion dieser Dividendenzahlungen gilt als nahezu ausgeschlossen. Beobachter gehen davon aus, dass die sieben eher ihre Investitionen drosseln und Unternehmensteile abstossen. Gemäss der Beratungsfirma EY laufen derzeit Investitionsprojekte mit einem Volumen von insgesamt 1100 Milliarden Dollar. [2] Knapp die Hälfte davon, lohnt sich nur, wenn der Ölpreis über 120 Dollar liegt, schätzt Douglas Westwood, ein anderes Beratungsunternehmen. [2] Denn viele neue Projekte etwa in der Arktis oder der Tiefsee sind technisch anspruchsvoll und daher teuer. So stellt Shell sein Projekt in Alaska zurück und Chevron und die österreichische OMV legen ihr Rosebank Projekt in der Nordsee auf Eis. Ausserdem überprüft BP ob das Tiefseeprojekt mit dem schönen Namen ‚Mad Dog 2‘ wirklich eine gute Investition darstellt. Und auch der norwegische Ölkonzern Statoil muss sparen: Es wird erwartet, dass er dieses Jahr 1500 Mitarbeiter entlässt. Zudem wird das ‚Johan Castberg‘ Feld in der Barentsee nicht erschlossen. [2] Aber nicht nur neue, sondern auch bestehende Anlagen stehen auf dem Prüfstand: Die Investitionsfirma Carlyle schätzt, dass die sieben grossen Ölfirmen derzeit versuchen Anlagen im Wert von 300 Milliarden Dollar abzustossen. [2] Dabei haben sie in den letzten vier Jahren bereits Beteiligungen im Wert von 150 Milliarden Dollar verkauft. [4] So werden die sieben Grossen immer kleiner: In den letzten zehn Jahren ist ihre Produktion (ohne Statoil) von 11,5 auf 9,5 Millionen Barrel pro Tag gefallen. [4] mic

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[1] Bloomberg, 10.10.2014: WTI Extends Drop Into Bear Market: Brent at Lowest Since 2010

[2] The Economist, 10.10.2014: Unsustainable energy

[3] The Telegraph, 08.10.2014: Iran backs down on Opec sending Brent oil price tumbling

[4] Reuters, 09.10.2014: Price fall hastens decline of ‘big oil’ as Western majors retreat