Indigene Völker sind der Joker beim Artenschutz

Landrechte für Indigene sind eine einfache und billige Schutzmaßnahme

Lange waren menschenleere Naturschutzgebiete das Ideal. Dabei haben Gebiete, in denen indigene Völkern leben, oft besonders viele Arten und werden von diesen gut gegen Entwaldung geschützt.

In Marseille ist gestern (Freitag) der alle vier Jahre stattfindende Kongress der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur IUCN zu Ende gegangen. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der besseren Integration von Indigenen. Bislang kannte die Union zwei Typen von Mitgliedern: Staaten und zivilgesellschaftliche Organisationen, deren Stimmen jeweils separat ausgezählt werden. Dazu sind in Marseille die Organisationen von indigenen Völkern als dritter Mitgliedschaftstyp gestoßen. Damit sollen deren Leistungen beim Schutz der Artenvielfalt anerkannt und besser genutzt werden. Die neue IUCN-Präsidentin Razan Khalifa Al Mubarak sagte über die Indigenen: „Indigene Völker machen fünf Prozent der Weltbevölkerung aus und schützen über 80 Prozent der biologischen Vielfalt der Erde. Ihre Erfahrungen mit der Frage, wie man im Gleichgewicht mit der Natur leben kann, liefern der Welt unschätzbare Erkenntnisse.“ [1]

Drachen. Gut geschützt und dennoch bedroht. Komodo Warana werden knapp ein Drittel ihres Territoriums wegen des Klimawandels verlieren. (Foto: Paul Hien / IUCN)

In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen der IUCN und den indigenen Völkern angespannt. Der IUCN folgte lange dem „Yellowstone Modell“ und setzte auf möglichst menschenleere Schutzgebiete. Doch nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass indigene Völker einen wichtigen Beitrag leisten. So zeigt eine Studie der UN Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, dass die Entwaldung in Gebieten des Amazonas Regenwalds unter indigener Verwaltung nur halb so hoch war, wie in anderen Teilen des Urwalds. Zudem spart der Staat damit Geld wie der FAO-Bericht zeigt: “Während die Auswirkungen der Gewährleistung von Besitzansprüchen groß sind, sind die Kosten sehr gering”. [2]

Wie wichtig der Artenschutz ist, zeigt die aktualisierte Rote Liste der gefährdeten Arten, der wohl bekanntesten IUCN-Publikation. Von den knapp 140.000 untersuchten Arten sind über eine Viertel mehr oder weniger vom Aussterben bedroht. [3] Es gibt allerdings auch gute Nachrichten: Von den sieben am stärksten befischten Thunfischarten haben sich die Bestände von vier Arten deutlich erholt. „Diese Bewertungen der Roten Liste sind der Beweis dafür, dass nachhaltige Fischereikonzepte funktionieren und langfristig enorme Vorteile für die Lebensgrundlagen und die biologische Vielfalt mit sich bringen“, sagte Bruce Collette, der beim IUCN für Thunfische verantwortlich ist. [3] In anderen Fällen reicht Schutz allein allerdings nicht. Komodo Warane sind auf der gleichnamigen, indonesischen Insel eigentlich gut geschützt. Wegen des Klimawandels werden sie in den nächsten 45 Jahren jedoch mindestens 30 Prozent ihres Lebensraums verlieren. [3]

Der IUCN-Kongress diente auch der Vorbereitung der nächsten Konferenz der UN Biodiversitätskonvention in der chinesischen Großstadt Kunming, die wegen der Coronapandemie auf April nächsten Jahres verschoben wurde. Diese Konferenz soll für den Artenschutz so wichtig werden wie die Pariser Klimakonferenz fürs Klima. Es wird erwartet, dass die Länder beschließen werden, bis zum Jahr 2030 30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen. Schließlich stimmten die Delegierten auch über gut hundert Anträge ab. Dabei zeigt sich die für internationale Organisationen einzigartige Struktur der IUCN, wo nicht das Konsensprinzip gilt sondern abgestimmt wird: So forderte ein Antrag ein Moratorium für den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee. Dieser könnte bereits in zwei Jahren beginnen, wenn die Internationale Meeresbodenbehörde ISA erste Abbaulizenzen erteilt. Für das Moratorium stimmten 81 Länder, 18 Länder stimmten dagegen und 28 enthielten sich. Und auch die Nichtregierungsorganisationen waren mit großer Mehrheit für das Moratorium. Bindend ist diese Abstimmung allerdings nicht. Letztlich entscheidet die ISA. mic

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[1] Mongabay, 30.08.2021: Conservation needs more women, says Razan Khalifa Al Mubarak

[2] Guardian, 25.03.2021: Indigenous peoples by far the best guardians of forests – UN report

[3] IUCN, 04.09.2021: Tuna species recovering despite growing pressures on marine life

[4] IUCN, 07.09.2021: Protection of deep-ocean ecosystems and biodiversity through a moratorium on seabed mining