Eine Haftpflichtversicherung wäre jetzt gut

Auf die Industrieländer kommen Kosten von 200 Milliarden Dollar pro Jahr zu

Wer jemand anderem einen Schaden zufügt, muss dafür bezahlen. Auf Juristendeutsch heisst das Haftpflicht. Viele Menschen haben für diesen Fall eine Versicherung. Eine solche könnten die Industriestaaten auch gebrauchen. Ihr Problem: Durch das CO2, das sie seit der industriellen Revolution in der Atmosphäre entsorgt haben, erwärmt sich das Klima. Dadurch entstehen anderen Staaten Schäden, ja bedrohen sie wie im Fall der Malediven gar in ihrer Existenz. Diese Länder verlangen nun, dass die Verursacher der Schäden für deren Kosten aufkommen.

Doch dies ist nur der eine Teil der Zahlungsverpflichtungen, die auf die reichen Länder zukommen. Der andere Teil ist die Unterstützung, die die Entwicklungsländer benötigen, um ihre Volkswirtschaften zu „Niedrig-CO2-Wirtschaften“ umzubauen. Hier geht es nicht nur um finanzielle sondern auch um technologische Unterstützung (siehe unten), aber entscheidend ist letzlich das Geld. Die Industrieländer sind nicht zuletzt dank billiger Energie aus Kohle und Öl reich geworden. Diese Möglichkeit haben die Entwicklungsländer nicht mehr. Daher müssen die Industriestaaten nun den Entwicklungsländern helfen, auf einen klimafreundlichen Wachstumspfad zu gelangen.

Moralisch ist die Sache also klar und auch unumstritten. Aber hier geht es um Geld, viel Geld. Und so entscheidet womöglich die Finanzfrage über Erfolg oder Misserfolg bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Die Entwicklungsländer fordern 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Industrieländer. Das sind 200 bis 400 Milliarden Dollar pro Jahr. Von den Industrieländern hat bislang einzig die EU einen Vorschlag vorgelegt. Brüssel geht von Gesamtkosten von 150 Milliarden Dollar aus. Soweit also die Positionen der Verhandlungsdelegationen. Doch wie realistisch sind diese Zahlen? Hierzu gibt es zwei neue Studien: Die Weltbank schätzt die Kosten für die Schäden durch den Klimawandel auf 75 bis 100 Milliarden Dollar. Und die International Energy Agency IEA veranschlagt die Kosten für den klimafreundlichen Umbau der Vokswirtschaften in den Entwicklungsländern auf 110 Milliarden Dollar. Kombiniert kommen also auf die Industriestaaten Kosten von rund 200 Milliarden Dollar zu. Das einzige Problem: Die EU sieht in ihrem Plan die 150 Milliarden erst ab 2020 vor, während für die Weltbank und die IEA die 200 Milliarden bereits nächstes Jahr fällig werden. Für nächstes Jahr hat die EU aber nur 5 bis 7 Milliarden vorgesehen, rund fünf Prozent der gemäss Weltbank und IEA erfoderlichen Summe.

Umstritten ist auch woher das Geld kommen soll. Hier gibt es verschiedene Vorschläge, unter anderem einen aus der Schweiz: Bern schlägt vor, eine internationale CO2 Abgabe zu erheben, die von allen ausser den ärmsten Länder bezahlt werden muss. Die Alternative ist der Verkauf oder die Versteigerung von Verschmutzungsrechten. Dadurch könnten allein in der EU 50 Milliarden Dollar generiert werden. Und schliesslich besteht die Möglichkeit den internationalen Flug- und Schiffsverkehr zu besteuern. Durch diese Massnahme kommt aber höchstens ein niedriger zweistelliger Milliardenbetrag zusammen. Kurz es läuft auf eine CO2 Steuer oder den Verkauf von handelbaren Verschmutzungsrechten hinaus, wenn die nötige Summe zusammenkommen soll. Denkbar ist allerdings, dass in verschiedenen Ländern unterschiedliche Massnahmen zum Einsatz kommen.

Aber damit ist der Streitpunkte in der Finanzfrage noch nicht genug: Neben dem Wieviel? und Woher? stellt sich zusätzlich die Frage wer das Geld anschliessend verteilt. Die Industrieländer setzen hier auf bestehende Institutionen wie die Weltbank und den Global Environment Facility GEF. Die Entwicklungsländer hingegen misstrauen insbesondere der Weltbank und wollen einen separaten Fonds unter der Aufsicht der UN Rahmenkonvention über den Klimawandel UNFCCC. Die Frage der institutionellen Ausgestaltung dürfte aber kaum spielentscheidend sein, insbesondere da sich bereits ein Kompromiss abzeichnet: Gemäss einem amerikanischen Vorschlag verwaltet die Weltbank das Geld, aber der UNFCCC entscheidet wie es ausgegeben wird.

Bevor Geld ausgegeben wird muss aber erst welches da sein. Und hier wird auch die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt nicht umhin kommen einen Beitrag zu leisten. Werden die 200 Milliarden Dollar gemäss der Wirtschaftskraft auf die verschiedenen Industriestaaten verteilt, entfällt auf die Schweiz gut ein Prozent. Dies entspricht zwei Milliarden Franken pro Jahr oder einem halben Prozent der Wirtschaftsleistung. Pro Kopf macht das rund 260 Franken pro Jahr oder 70 Rappen pro Tag. Wenn es dadurch gelingt die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu bregrenzen, lohnt sich das für die Schweiz. Denn wie schon Nicholas Stern in seinem wegweisenden Bericht über die Kosten des Klimawandels fetsgestellt hat, sollte man diese Kosten als Versicherungsprämie verstehen. Diesmal handelt es sich aber nicht um eine Haftpflichtversicherung, denn der Schaden ist ja weitgehend schon angerichtet, sondern um eine Katastrophenschutzversicherung – eine Versicherung gegen die Verheerungen, wenn sich das Klima um mehr als zwei Grad erwärmt. mic

Was Windräder und Medikamente gemeinsam haben

Damit die Entwicklungsländer trotz schnellem Wirtschaftswachstum ihre CO2 Emissionen in den Griff bekommen brauchen sie finanzielle Unterstützung, Zugang zu Kimatechnologien sowie Hilfe bei der administrativen Umsetzung. Letzteres ist unumstritten und das entsprechende Verhandlungsdossier ist denn auch schon weit gediehen. Der Transfer von Klimatechnologien hingegen ist hart umkämpft. Hier verlangen die Entwicklungsländer eine Aufweichung des Patentrechts. Sie wollen die Möglichkeit Schlüsseltechnologien schon vor Patentablauf kopieren zu können. Für Medikamente ist dies bereits heute möglich. Mittels „compulsory licensing“ können Entwicklungsländer westliche Pharmakonzerne dazu zwingen ihnen eine Lizenz zu sehr günstigen Konditionen zu erteilen. Dieses Modell soll nun auch auf Klimatechnologien angewandt werden. Wenig überraschend stösst diese Idee aber auf den erbitterten Widerstand der Industriestaaten. Diese argumentieren, dass dadurch den Unternehmen der Anreiz genommen wird, in die Entwicklung neuer Produkte zu investieren. Letzlich dürften sich die Industriestaaten damit durchsetzen, nicht zuletzt dank der Technologieabkommen die in den letzten Monaten geschlossen wurden. So haben die USA mit Indien und China oder Deutschland mit Russland Technologiepartnerschaften vereinbart. Ausserdem hängen das Finanzdossier und der Technologietransfer zusammen: Je mehr finanzielle Mittel den Entwicklungsländern zur Verfügung stehen desto geringer ist ihr Bedarf für das „compulsory licensing“ von Klimatechnologien. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email