„Alle gegen die USA“

Märkte bleiben offen, Klimaschutz kommt

Auf den Strassen Hamburgs tobte während des G20-Gipfels eine Abwehrschlacht gegen Anarchisten und auf dem Konferenzgelände eine solche gegen Nationalisten. Bei letzterer gelang diesmal (noch?) ein 19 zu 1 Kantersieg.

„Durch gemeinsames Handeln können wir mehr erreichen als allein.“ [1] Dieses Credo des Multilateralismus ist Teil des Abschlusscommuniqués des G20-Gipfels in Hamburg. Entgegen Befürchtungen im Vorfeld des Treffens konnten sich die Führer der zwanzig wichtigsten Volkswirtschaften der Welt denn auch in fast allen Politikbereichen auf eine gemeinsame Linie einigen. Einen offenen Dissens gab es einzig beim Klima. Hier ist es Bundeskanzlerin Angela Merkel jedoch gelungen „alle gegen die USA“ (Angela Merkel) zu vereinen. [2] Aus Sicht von Andrew Steer, dem Chef der Umweltorganisation ‚World Resources Institute‘ gelang ihr damit ein „Erdrutschsieg“ fürs Klima.

Nochmal zum Mitschreiben: M U L T I L A T E R A L I S M U S. (Foto: Bergmann / Bundesregierung)
Nochmal zum Mitschreiben: M U L T I L A T E R A L I S M U S. (Foto: Bergmann / Bundesregierung)

Der Abschnitt zum Klima besteht nun aus zwei Absätzen. Im ersten nehmen die G20 Länder „zur Kenntnis“, dass die USA aus dem Paris-Abkommen aussteigen wollen und ab sofort die Umsetzung ihres Klimaplans einstellen. Ausserdem erklären die USA dort „dass sie danach streben werden, eng mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um ihnen dabei zu helfen, auf fossile Brennstoffe zuzugreifen und sie sauberer und effizienter zu nutzen“. [1] Dieser Satz war besonders umstritten. Hier geht es um das Ziel von US-Präsident Donald Trump, für die USA „Energiedominanz“ zu erreichen durch den Export von Kohle, Öl, Flüssiggas und Nukleartechnologie.

Im zweiten Absatz halten die 19 anderen Länder dann fest, dass das Paris-Abkommen „unumkehrbar“ ist und versprechen dessen zügige Umsetzung. Ausserdem haben sich die G19 auf ein Zusatzdokument zur Klima- und Energiepolitik geeinigt. [3] Dort bekennen sie sich zum Ziel des Paris-Abkommens die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen. Dazu sollen alle Länder in den nächsten drei Jahren Strategien vorlegen, wie sie ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 auf nahe Null senken. Durch eine „Umleitung der Finanzflüsse“ sollen die dafür erforderlichen Mittel mobilisiert werden. Ausserdem soll die Energieeffizienz durch eine gemeinsame Task Force verbessert werden. In diesem Zusatzdokument steht aber auch, dass die G19 Subventionen für fossile Energieträger abbauen wollen. Dieser Punkt stand letztes Jahr noch im eigentlichen Abschlusscommuniqué. [4] Die Verschiebung in das G19 Zusatzdokument bedeutet folglich, dass sich die USA das Recht vorbehalten, fossile Energien zu subventionieren. Die US-„Energiedominanz“ dürfte somit auf Subventionen für den Kohleexport hinauslaufen.

Die Verhandlungen zum Thema Handel waren ebenfalls „außergewöhnlich hart“, weil die USA jetzt „bestimmte Positionen“ (Angela Merkel) eingenommen haben. [2] Dennoch konnten man sich schliesslich einigen: „Wir werden die Märkte offenhalten.“ [1] Wie lange das beim Stahl der Fall bleiben wird, konnte aber auch Merkel nicht beantworten: „Was morgen oder übermorgen sein wird, kann ich natürlich nicht genau abschätzen.“ [2] Konkret besteht hier die Gefahr, dass die USA Stahlimporte zur „Gefahr für die nationale Sicherheit“ erklären und dann ein Gesetz aktivieren, das weitreichende Gegenmassnahmen erlaubt. Um dem Vorzubeugen haben sich die G20 darauf geeinigt, bis August alle Informationen zu den Überkapazitäten in der Stahlbranche offenzulegen und bis November Massnahmen zu deren Abbau auszuarbeiten. „Das Thema ist brisant“, sagte Merkel. „Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir hier einen Zeitplan haben mit ‚August‘ und ‚November‘, weil sonst eben doch befürchtet werden muss, dass es bilaterale Maßnahmen gibt.“ [2] Welche Konsequenzen dies haben könnte, hat derweil EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker klar gemacht: Die EU sei in „gehobener Kampfstimmung“. „Innert weniger Tage können wir mit Gegenmassnahmen reagieren.“ [5]

Der multilaterale Ansatz konnte sich auch in anderen Politikbereichen durchsetzen, wo die US-Position im Vorfeld des Gipfels unklar war: Dies gilt für den Kampf gegen Steuerhinterziehung und –vermeidung, die Regulierung der Finanzmärkte und insbesondere für die Korruptionsbekämpfung. Zu letzterer haben sich die G20-Führer auf vier Zusatzdokumente geeinigt, die das Abschlusscommuniqué konkretisieren. Gemeinsam will man ausserdem etwas gegen die Vermüllung der Meere und die zunehmende Antibiotikaresistenz von Krankheitserregern unternehmen. In Folge der Ebola-Epidemie in Westafrika konnte man sich auch auf ein besseres Management von Seuchen verständigen. Die Förderung von Frauen und die Bekämpfung von Fluchtursachen sowie ein besseres Management von Migration haben es ebenfalls ins G20-Communiqué geschafft. Wenig Konkretes hatten die G20 hingegen zu Afrika zu sagen, obwohl dies ein Schwerpunktthema der deutschen Gipfelpräsidentschaft war. Überraschen konnte hier allerdings Trump, der gut 600 Millionen Dollar für Hilfe gegen die Hungersnöte in Nigeria, Somalia und im Südsudan sowie im Jemen versprach.

Aus Sicht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron handelt es sich bei den Ergebnissen des Gipfels aber bestenfalls um Etappensiege. „Zentrifugale Kräfte waren nie so stark und unseren gemeinsamen Güter nie so gefährdet. Selbst in der westlichen Welt bestehen reale Gegensätze, die es vor wenigen Jahren noch nicht gegeben hat.“ [6] Anschliessend verspricht Macron: „Ich werde denjenigen keinen Fussbreit zugestehen, die sich dem Multilateralismus engegenstellen. Wir brauchen bessere Koordination und mehr Koordination, sonst bewegen wir uns rückwärts in Richtung auf einen engstirnigen Nationalismus.“ [6] Dass dies 19 von 20 Ländern ähnlich sehen, ist da vielleicht nur ein Etappensieg, allerdings ein beachtlicher. mic

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[1] G20, 08.07.2017: Erklärung der Staats- und Regierungschefs (PDF)

[2] G20, 08.07.2017: Pressekonferenz der Bundeskanzlerin zum Abschluss des G20-Gipfels am 8. Juli

[3] G20, 08.07.2017: Aktionsplan der G20 von Hamburg zu Klima und Energie für Wachstum (PDF)

[4] G20, 05.09.2017: Kommuniqué der Staats- und Regierungschefs der G20 – Gipfeltreffen von Hangzhou (PDF)

[5] Politico, 07.07.2017: Juncker: EU in ‘elevated battle mood’ to retaliate against US over steel

[6] Washington Post, 08.07.2017: Trump leaves leaders fearing the future as G-20 summit closes