Börsen setzen auf Klimakatastrophe

Die Aktienkurse der 200 grössten Energiekonzerne sind rund 50 Prozent zu hoch

„Es ist unangenehm einfach“, sagt Reto Knutti über das CO2 Budget für die Welt. [1] Knutti, ein Klimawissenschaftler an der ETH Zürich, hatte das CO2 Budget im IPCC Bericht gegen den Widerstand von Ländern wie Saudi-Arabien durchgesetzt. Diese Länder wollten die Erwähnung des CO2 Budgets verhindern, weil sich damit relativ einfach nationale Budgets errechnen lassen (siehe Artikel oben). Mit dem globalen CO2 Budget lässt sich aber auch relativ einfach überprüfen, ob die bekannten Vorräte an Kohle, Öl und Gas überhaupt noch verbrannt werden dürfen, wenn die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll. Und genau das hat die Umweltorganisation Carbon Tracker gemacht [2]: Würden alle bekannten Vorräte an fossilen Energien gefördert und verbrannt, entstünden dadurch 2860 Milliarden Tonnen CO2. Gleichzeitig geht Carbon Tracker von einem noch verbleibenden CO2 Budget von 975 Milliarden Tonnen aus [3]. Will man den Klimawandel also tatsächlich begrenzen, darf nur noch ein Drittel der bekannten Reserven gefördert werden. Der Widerstand Saudi-Arabiens wird da verständlich.

Aber nicht nur die Ölscheichs haben ein Problem mit den unförderbaren und damit wertlosen Brennstoffen – sondern auch die Kapitalmärkte. Denn im Börsenkurs der grossen Energiekonzerne ist der Wert ihrer Reserven mitberücksichtigt. Ausserdem investierten die Firmen letztes Jahr weitere 674 Milliarden Dollar in die Erschliessung neuer Vorkommen, die wertlos sind, wenn es die Menschheit mit dem Kampf gegen die Klimakrise ernst meint. Kurz: Die Weltbörsen sitzen auf einer CO2 Blase. Die britische Grossbank HSBC warnt, dass rund die Hälfte des Werts der Energiekonzerne auf dem Spiel steht – die Hälfte von 4000 Milliarden Dollar, denn soviel sind die 200 grössten Energiefirmen an der Börse wert. [1] Jens Peers vom Vermögensverwalter Natixis meint dazu: „Es ist schockierend die Zahlen in diesem Bericht zu sehen, denn sie sind grösser als die Leute begreifen. Das Risiko ist massiv, aber viele Vermögensverwalter meinen sie hätten eine Menge Zeit. Aber ich glaube sie liegen falsch,“ denn bis 2015 wollen die Länder der Welt ein neues Klimaprotokoll aushandeln. [3] Dabei gibt es auch andere Warnzeichen wie James Leaston von Carbon Tracker sagt. China hat angekündigt, dass der Kohleverbrauch in fünf Jahren sein Maximum erreicht hat, aber die Kapitalmärkte hätten dies noch nicht berücksichtigt. „Ich weiss nicht, warum die Märkte China nicht glauben. Wenn die chinesische Regierung ankündigt etwas zu tun, dann tut sie dies in der Regel auch.“ [4]

Für Lord Nicholas Stern, der Autor des „Stern Berichts“ über die Kosten des Klimawandels, ist der Fall daher klar: Die Börsen glauben nicht, dass die Menschheit etwas gegen den Klimawandel unternimmt. „Sie können das nicht glauben und gleichzeitig meinen die Energiekonzerne seien vernünftig bewertet.“ [4] Was passiert wenn die Märkte sich einer Fehlbewertung bewusst werden, hat die Welt hingegen in den letzten Jahren mehrfach erlebt: Die Blase platzt und Börsen, Banken ja ganze Länder stürzen ab. Aus diesem Grund hat die Rating Organisation Standard and Poor’s angekündigt die Bewertung von Energiekonzernen noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. [5] Und auch die Bank of England hat sich bereits mit dem Problem befasst. [4] Aus Verbrauchersicht hätte das Platzen der CO2 Blase aber auch einen Vorteil. HSBC geht davon aus, dass der Ölpreis auf 50 Dollar fällt. [4] mic

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[1] New York Times, 07.10.2013: How tp Slice a Carbon Pie?

[2] Carbon Tracker und Grantham Research Institute, 2013: Unburnable Carbon 2013: Wasted capital and stranded assets

[3] Achtung: Das CO2 Budget, das der IPCC berechnet hat (siehe Artikel oben), und das CO2 Budget, das Carbon Tracker verwendet, unterscheiden sich. (Carbon Tracker benutzt die Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA.) Der IPCC hat ausgerechnet, dass für den Zeitraum 2012 bis 2100 noch ein CO2 Budget von 987 Milliarden Tonnen CO2 zur Verfügung steht, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzen zu können. Carbon Tracker hingegen geht davon aus, dass im gleichen Zeitraum 975 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden dürfen, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Siehe auch die FAQ Seite von Carbon Tracker.

[4] The Guardian, 19.04.2013: Carbon Bubble will plunge the world into another financial crisis – report

[5] Carbon Tracker und Standard and Poor’s, 01.03.2013: What A Carbon-Constrained Future Could Mean For Oil Companies’ Creditworthiness