Text taugt nicht zum Verhandeln

Trotz Fortschritten in Einzelfragen kommen die Klimaverhandlungen nur langsam voran

Die eigentlichen Verhandlungen über den neuen Weltklimavertrag haben noch immer nicht wirklich angefangen. Der derzeit vorliegende Text ist dafür „nicht geeignet“.

Bei den Klimaverhandlungen diese Woche in Bonn konnten in diversen Einzelfragen Fortschritte erzielt werden. So sind die Länder einem „globalen Ziel“ für die Anpassung an den Klimawandel näher gekommen. Falls Anpassung nicht reicht und „Verluste und Schäden“ entstehen, soll mit einem „Mechanismus“ geholfen werden. Beim heiklen Thema der Klimafinanzen haben verschiedene Länder sogenannte „Brücken-Vorschläge‘ vorgelegt, mit denen Gegensätze überbrückt werden sollen. Zumindest geredet hat man ausserdem über die Differenzierung zwischen den Ländern. Bislang unterscheidet die Klimakonvention nur zwischen Entwicklungs- und Industrieländern und viele Entwicklungsländer wollen diese simple Zweiteilung beibehalten. Wachsende Unterstützung erfährt zudem ein Langfristziel. Unklar ist aber noch, welche Form dieses Ziel haben könnte. Die Optionen sind ein Emissionsziel wie ‚Null Emissionen im Jahr X‘, ein Erneuerbarenziel wie ‚100 Prozent Erneuerbare im Jahr Y‘ oder einfach die Wiederholung des Zwei-Grad-Ziels.

Gute Laune. Die beiden Co-Vorsitzenden, Ahmed Djoghlaf (Algerien) und Dan Reifsnyder (USA) freuen sich. Die Länder der Welt vertrauen diesen beiden und haben sie mit der Ausarbeitung eines neuen Verhandlungstexts beauftragt. (Foto: IISD / ENB)
Gute Laune. Die beiden Co-Vorsitzenden, Ahmed Djoghlaf (Algerien) und Dan Reifsnyder (USA) freuen sich. Die Länder der Welt vertrauen diesen beiden und haben sie mit der Ausarbeitung eines neuen Verhandlungstexts beauftragt. (Foto: IISD / ENB)

Diese Erfolge vermochten aber nicht über ein wesentliches Problem hinwegzutäuschen: der Verhandlungstext taugt nicht zum Verhandeln. „Wir können nicht mit einer Ideensammlung arbeiten.“, erklärt Sarah Blau von der EU. „Die Verhandler juckt es unter den Fingern endlich mit der eigentlichen Textarbeit anzufangen, aber der vorliegende Text ist dafür nicht geeignet.“ Der Text wurde von den beiden Co-Vorsitzenden der Verhandlungen erarbeitet. Die Länder gaben ihnen dazu einen unmöglichen Auftrag: Ausgehend von einer Ideensammlung sollten sie einen gekürzten und strukturierten Verhandlungstext erstellen ohne den Inhalt der ursprünglichen Ideensammlung zu verändern. Damit blieb der Text eine Sammlung widersprüchlicher Vorschläge. Nun haben die Co-Vorsitzenden angekündigt, in der ersten Oktoberwoche einen neuen „Basistext“ vorzustellen. Blau hat auch schon eine klare Vorstellung wie dieser aussehen soll: „Der neue Text muss kürzer sein. Er muss mit einem Stift in einheitlicher Sprache verfasst sein und er muss die unterschiedlichen Optionen klar aufzeigen.“ Inhaltlich dürfen die Co-Vorsitzeden den Text aber nicht wesentlich verändern, denn jedes Land wird darüber wachen, dass seine Vorschläge und Wünsche weiter Teil der Verhandlungen sind.

Aus Sicht von Christiana Figueres, der Chefin der UN-Klimakonvention, sind die Verhandlungen dennoch „auf dem richtigen Weg“: „Die Frage nach dem Tempo der Verhandlungen ist nicht relevant. Wichtig ist, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.“ Aus Sicht der französichen Klima-Sondergesandten Laurence Tubiana treten die Verhandlungen nun in die „kritische Phase“ ein: „Oktober ist der Moment, wo wir das gesamte Bild haben müssen.“ Dazu findet vom 19. bis 23. Oktober in Bonn eine weitere Runde der Verhandlungen statt. Zuvor haben die Klimaminister der Länder und dann auch die Staats- und Regierungschefs die Gelegenheit sich über den Fortschritt der Verhandlungen auszutauschen. Martin Kaiser von Greenpeace appelliert an letztere Druck auf ihre Klimaverhandler auszuüben: „Staatschefs, die ihre Kinder lieben, sollten über ihre Verhandler verärgert sein.“ Figueres‘ optimistische Einschätzung des Verhandlungsstands beruht zum Teil auch auf den vielen geplanten Treffen: „Wir sehen grosses Engagement auf Ebene der Diplomaten, der Minister und der Staats- und Regierungschefs.“ mic

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