Extinction Rebellion erwägt Heathrow lahmzulegen

Protest richtet sich gegen Erweiterung des Flughafens durch dritte Startbahn

Die Umweltbewegung Aufstand gegen das Aussterben überlegt, mit Drohnen und Blockaden in den kommenden Wochen Europas grössten Flughafen für elf Tage stillzulegen. Davon wären rund 2,5 Millionen Passagiere betroffen.

Das umstrittenste Infrastrukturprojekt in Grossbritannien ist die Erweiterung des Flughafens Heathrow in London. Dieser ist bereits heute der grösste Flughafen Europas mit über 80 Millionen Passagieren. Durch den Bau einer dritten Startbahn soll die Kapazität von Heathrow nun auf über 130 Millionen Fluggäste pro Jahr gesteigert werden. Dem Vorhaben steht kaum noch etwas entgegen. Das britische Unterhaus ist dafür und Anfang Mai entschied das Oberste Gericht, dass die dritte Startbahn rechtens ist. Die letzte offene Frage ist, ob sich die Erweiterung noch rechtfertigen lässt, nachdem das britische Unterhaus einen Klima- und Umweltnotstand ausgerufen hat. Der Chef des britischen Ablegers der Umweltorganisation Greenpeace sagte nach dem Gerichtsentscheid: Der Verkehrsminister „hat einen Gerichtsfall gewonnen, ob die dritte Startbahn rechtlich zulässig ist. Aber er hat die Debatte verloren, ob sie auch moralisch vertretbar ist.“ [1]

Ähnlich sieht das die britische Umweltbewegung Extinction Rebellion (XR), die im April Teile von Londons Innenstadt für zehn Tage besetzt hat. Der „Aufstand gegen das Aussterben“ schreibt in einem internen Planungsdokument, das weltinnenpolitik vorliegt: „Die Regierung betrügt uns“, denn trotz des Klimanotstands wolle sie „die grösste britische Quelle von Treibhausgasen“ erweitern. [2] Um die Regierung doch noch zum umdenken zu bewegen, evaluiert XR daher einen radikalen Plan: In einem ersten Schritt soll der Flughafen für einen Tag lahmgelegt werden, am Dienstag den 18. Juni. Sollte die Regierung anschliessend immer noch an der Erweiterung festhalten, will XR den Betrieb von Heathrow ab dem 1. Juli für „bis zu zehn Tage“ verhindern. Die Folgen wären immens. Während der insgesamt elf Tage nutzen knapp 2,5 Millionen Menschen den Flughafen. Zum Vergleich: Als im Dezember der britische Flughafen Gatwick für anderthalb Tage wegen einer Drohne geschlossen wurde, waren 150.000 Passagiere betroffen und den Fluggesellschaften entstand ein Schaden von 58 Millionen Euro. [3] Die XR-Aktion würde die Fluggesellschaften daher knapp eine Milliarde Euro kosten.

Banksy. Ob die Blockade von Heathrow die richtige Taktik ist, kann nur ein Versuch zeigen. (Foto: NN / Wikipedia)

Aus Sicht von XR wäre die Aktion dennoch gerechtfertigt, denn das Fliegen habe „Völkermord-ähnliche Konsequenzen für kommende Generationen und die Natur“. [2] Aus Sicht von XR leitet sich daraus das Recht auf Widerstand oder auf Rebellion ab: „In diesem Land gibt es ein gesetzliches Notstandsrecht, Störmassnahmen zu ergreifen, wenn damit ein viel grösserer Schaden verhindert werden kann.“ Diese Sicht wurde vor zwei Wochen von einem britischen Geschworenengericht bestätigt. Dieses entschied auf „nicht schuldig“ in einem Fall von Sachbeschädigung. Der XR-Vordenker Roger Hallam hatte vor zwei Jahren mit kreidebasierter Sprayfarbe Wände der Londoner Universität King’s College besprüht, damit das Universitätsvermögen nicht länger in Kohle- und Ölkonzerne investiert wird. [4]

Der Schaden lag damals allerdings nur bei 8000 Euro. Nach dem Gatwick-Vorbild zieht XR zudem den Einsatz von Drohnen in Betracht. Angedacht ist ein Picknick in Flughafen-Nähe zu dem die Teilnehmer Drohnen mitbringen. XR unterscheidet zwischen vier Möglichkeiten der Teilnahme mit unterschiedlichem Risiko: 1. Picknicken auf öffentlichem Grund, ohne Gefahr verhaftet zu werden. 2. Picknicken auf Privatgrund mit geringem Verhaftungsrisiko. 3. Das Mitbringen einer Drohne ohne Batterien. Dabei bestehe die „Möglichkeit einer Verhaftung mit anschliessender Freilassung“ und eine „sehr geringe Wahrscheinlichkeit von Untersuchungshaft“. 4. Das Fliegen einer Drohne mit der Gefahr von „Verhaftung und Untersuchungshaft oder Gefängnis“. Wie hart die Strafe für Drohnenpiloten wäre, hängt davon ab, ob Flugzeuge in der Luft sind. XR plant daher, nachts mit den Drohnenflügen zu beginnen, damit am nächsten Morgen der Flugbetrieb gar nicht erst aufgenommen wird. XR hat auch ausgerechnet wieviel Freiwillige erforderlich sind: Für wenige Tage reichten bereits 200 Menschen und um die vollen zehn Tage durchzuhalten, würden ein bis zwei Tausend Rebellen „auf Rotationsbasis“ gebraucht.

Ob die Aktion durchgeführt wird, ist aber noch nicht entschieden. Derzeit sammelt XR noch Feedback: “Die Meinungen zum Drohnen-Picknick scheinen gespalten zu sein“, schreibt XR in einem internen Rundbrief. [5] Daher ist es auch möglich, dass es letztlich nur zu einer symbolischen Aktion kommt. Schon im April wurde eine Heathrow-Blockade angekündigt. Schliesslich kam es aber nur zu einem Protest von zwei Dutzend Jugendlichen auf einer Verkehrsinsel. mic

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[1] Independent, 01.05.2019: Heathrow ruling: High Court approves third runway despite escalating climate change crisis

[2] XR, Mai 2019: Proposal to XR UK groups from Actions Strategy – Heathrow Pause: June 18th and the first two weeks of July 1st to 13th (PDF)

[3] Fortune, 22.01.2019: Gatwick’s December Drone Closure Cost Airlines $64.5 million

[4] wip, 15.05.2019: Britisches Geschworenengericht erkennt Klimanotstand an

[5] XR, 01.06.2019: Internal Newsletter: Updates from UK WGs (kein Link)