Neuste Klimamodelle zeigen stärkere Erwärmung

Wissenschaftler noch unsicher, woher Zusatzerwärmung kommt

Das Klimasystem könnte deutlich sensibler auf CO2-Emissionen reagieren als bislang angenommen. Falls sich das bewahrheitet, müssten die globalen Emissionen deutlich schneller sinken als eh schon, wenn eine katastrophale Klimaüberhitzung verhindert werden soll.

Der nächste große Bericht (AR6) des Weltklimarats IPCC kommt übernächstes Jahr. Doch die Vorbereitungen laufen bereits jetzt auf Hochtouren. Dies gilt insbesondere für Wissenschaftler, die Computermodelle des Klimas entwickeln. Insgesamt 42 Forschungsinstitute aus der ganzen Welt haben 109 solche Modelle angekündigt. [1 s. S. 10] Einige dieser Modelle sind bereits fertig und zeigen einen bedrohlichen Trend. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie stark sich das Klima erwärmt, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Vergleich zur Zeit vor der industriellen Revolution verdoppelt wird. Damals kamen 280 CO2-Moleküle auf einen Million „Luftteilchen“ (280 ppm von englisch parts per million). Heute liegt dieser Wert bei 410 ppm und steigt bis zum Jahr 2060 auf 560 ppm, wenn nicht massive Anstrengungen unternommen werden, um die Emissionen zu reduzieren.

In alten Modellen lag die „Klimasensitivität“, also die Reaktion des Klimasystems auf eine CO2-Verdopplung, zwischen 2,1 und 4,7 Grad. In den bereits vorliegenden, neuen Modellen liegt die Klimasensitivität allerdings signifikant höher: bei 2,8 bis 5,8 Grad. [2] Mindestens acht Modelle von bekannten Forschungsinstituten ergeben Werte von über 5 Grad. Der Trend zu höheren Werten sei „definitiv real“, sagt Reto Knuti von der ETH-Zürich und fragt: „Ist das realistisch? Im Moment wissen wir das nicht.“ [3] Die neuen Modelle sind den alten aus dem Jahr 2014 deutlich überlegen. Zum einen stehen bessere Supercomputer und mehr Daten von Messstationen zur Verfügung, um die Modelle durchzurechnen. Zum anderen haben die Forscher neue Faktoren des Klimasystems in ihre Modelle integriert wie die Wolkenbildung und den kühlenden Effekt von Luftverschmutzung. Diese Verbesserungen führen nun zu einer höheren Klimasensitivität. Warum das so ist, können die Forscher aber noch nicht erklären. Aufschluss könnte ein Test der Modelle durch den IPCC bringen. Der Test entspricht einem Hindernislauf, bei dem die Modelle fünf Aufgaben bewältigen müssen etwa die Modellierung des Klimas vor der industriellen Revolution oder eine Vervierfachung der CO2-Konzentration. [1 s. S. 3]

Urschrei. Edvard Munch verarbeitete in seinem berühmtesten Gemälde eine Angstattacke, nachdem er auf einem Spaziergang einen Schrei hörte, der durch die Natur ging. (Foto: Wikipedia)

Sollte sich die höhere Klimasensitivität bestätigen, dann hätte das „wichtige Folgen für die CO2-Budgets“, schreiben drei Forscher in einem Gastbeitrag für Carbon Brief, ein Internetmagazin. [2] Der IPCC sagt derzeit, dass die Menschheit ihre Emissionen bis 2030 halbieren und bis 2050 auf Netto-Null senken muss, damit eine Chance von 50 Prozent besteht, die Klimaüberhitzung bei 1,5 Grad zu stoppen. Für die Menschheit ist es von existenzieller Bedeutung, dass dieser Wert nicht überschritten wird. Denn zwischen 1,5 und 2 Grad könnten Kipppunkte des Klimasystems lauern, nach deren Überschreiten Rückkoppelungseffekte wie das Tauen des Permafrosts dafür sorgen, dass sich der Klimawandel selbst verstärkt und eine Erwärmung um vier bis fünf Grad und mehr nicht mehr verhindert werden kann. [4] Die Möglichkeit, dass die Modelle korrekt sein könnten, ist mittlerweile eine emotionale Belastung für Klimaforscher wie ein Gastbeitrag der australischen IPCC-Autorin Joëlle Gergis im australischen Magazin The Monthly zeigt: „Hin und wieder gelingt es der Wirklichkeit des wissenschaftlichen Kenntnisstands, den emotional tiefgefrorenen Teil von mir zu schmelzen, den ich brauche um meinen Job zu machen. In diesen Momenten kommt pure Trauer zum Vorschein. Bereit zu sein, die Ankunft des Punkts ohne Rückkehr anzuerkennen, erfordert Mut.“ [5] mic

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[1] CMIP, 25.03.2019: Status of the Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 (CMIP6) (PDF)

[2] Carbon Brief, 21.03.2019: Guest post: Why results from the next generation of climate models matter

[3] Science, 16.04.2019: New climate models predict a warming surge

[4] PNAS, 06.08.2018: Trajectories of the Earth System in the Anthropocene

[5] The Monthly, August 2019: The terrible truth of climate change