Der Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern kommt wieder zum Vorschein

Eine Gruppe von Entwicklungsländer kritisiert das Vorgehen der Co-Vorsitzenden der wichtigsten Arbeitsgruppe

Einer der bekanntesten Klimadiplomaten ist nicht in Lima: Yeb Sano, der frühere Delegationsleiter der Phillippinen. Zudem sind die Phillippinen aus der ‘Gruppe der Gleichgesinnten’ ausgestiegen, der Verhandlungsgruppe die gerne weiter an einer strikten Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern festhalten möchte. Dies befeuert Gerüchte und vertieft das Misstrauen zwischen den Ländern.

Die ‚alte Welt’ der Klimaverhandlungen zeichnete sich durch den scharfen Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aus. Nur die Industriestaaten waren zur Reduktion ihrer Emissionen gezwungen, während Klimaschutz für die Entwicklungsländer freiwillig war. Im neuen Weltklimavertrag, der derzeit bei der UN-Klimakonferenz in Lima vorbereitet wird, sollen hingegen alle Länder für den Schutz des Klimas verantwortlich sein. Doch damit haben sich noch nicht alle Länder abgefunden. Die Opposition gegen den neuen Ansatz sammelt sich in einer Verhandlungsgruppe mit dem Namen ‚Gruppe der Gleichgesinnten’. Am Montag wurde bekannt, dass China weiter dieser Gruppe angehören will, obwohl sich die USA und China auf parallele Klimaschutzmassnahmen geeinigt haben. Wie die Gleichgesinnten bei den Klimaverhandlungen in Lima vorgehen werden, zeigte sich aber erst am Dienstag bei der Eröffnung der wichtigsten Arbeitsgruppe. Dort kritiserten die Gleichgesinnten die beiden Co-Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, den Inder Kishan Kumarsingh und den Deutschen Artur Runge-Metzger.

Der grosse Abwesende: Yeb Sano war der Star bei den Klimaverhandlungen in Warschau. In Lima ist er aber nicht dabei, was zu Gerüchten führt (Foto: Benjamin von Brackel)
Der grosse Abwesende: Yeb Sano war der Star bei den Klimaverhandlungen in Warschau. In Lima ist er aber nicht dabei, was zu Gerüchten führt (Foto: Benjamin von Brackel)

Die Co-Vorsitzenden hatten im Vorfeld von Lima den Stand der Verhandlungen in einem Entwurf für das Abkommen und einem sogenannten ‚Non Paper’ zusammengefasst. Für die EU, die Schweiz und die ärmsten Länder der Welt sind diese Arbeitspapiere eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen. Anders für die Gleichgesinnten. Diese haben den Eindruck ihre Anliegen seien bei der Erstellung dieser Texte unter den Tisch gefallen. „Wir sind sehr besorgt, dass der Verhandlungsprozess nicht in einer inklusiven und transparenten Weise geführt wird.“ sagte Kuba im Namen der Gleichgesinnten.

Wie gross das Misstrauen zwischen den Ländern nachwievor ist, zeigt der Fall der Phillippinen: Diese sind aus der Gruppe der Gleichgesinnten ausgestiegen. „Dies zeigt den enormen Druck, unter dem Entwicklungsländer bei diesen Verhandlungen stehen.“ sagte ein Delegierter aus einem Land, das der Gruppe der Gleichgesinnten angehört. [1] Diese vermuten: Die USA und die EU würden Druck auf einzelne Mitglieder der Gleichgesinnten ausüben, die Gruppe zu verlassen. „Das ist eine typische ‚Teile und Herrsche’ Taktik.“ sagte ein indischer Diplomat gegenüber der indischen Tageszeitung Business Standard. [2]

Die Gerüchteküche erhielt zusätzliche Nahrung durch die Zusammensetzung der phillippinischen Delegation: Deren früherer Chef, Yeb Sano, ist nicht in Lima. Warum dem so ist, kann aber selbst die Delegation der Phillippinen nicht beantworten. Yeb Sano war einer der bekanntesten Klimadiplomaten der Welt. In Folge von Typhoon Hayan hatte er eine tränenreiche Rede bei der letzjährigen Klimakonferenz in Warschau gehalten. „Die Leute kratzen sich den Kopf, warum Yeb nicht mehr in der Delegation ist.“ sagt Mohamed Adow, von der Entwicklungsorganisation Christian Aid. „Ich hoffe er wurde nicht aus der Delegation ausgeschlossen, weil einige Leute die wichtige Wahrheit nicht mögen, die er sagt.“ Sano selbst hat bislang nicht gesagt, warum er nicht in Lima ist. Über Twitter liess er aber wissen: „Manchmal ist Stille der lauteste Schrei.“

Dabei ist der Streit um die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern eigentlich überflüssig, wie Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation, im Namen der ‚Umweltintegritätsgruppe’ anmerkte. Denn die Länder sollen ‚Beabsichtigte, auf nationaler Ebene entschiedene, Beiträge’ zum Kampf gegen den Klimawandel bis Ende März nächsten Jahres an die UN-Klimakonvention melden (Intended Nationally Determined Contributions kurz INDCs). Hinter dieser komplizierten Formulierung versteckt sich Folgendes: Jedes Land entscheidet selbst, wie entwickelt es ist, da die Beiträge zum Klimaschutz ja ‚auf nationaler Ebene’ entschieden werden. Und auf nationaler Ebene könnte sich – rein theoretisch – die Schweiz als Entwicklungsland und Simbabwe als Industriestaat betrachten. Diese ‚Selbstunterscheidung’ gefällt aber auch nicht Allen: Kuba befürchtet im Namen der Gleichgesinnten das dies zu einem „Rückschritt“ führt. Denn, wer weiss, vielleicht definieren sich ja plötzlich alle Industriestaaten als Entwicklungsländer. mic

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[1] Business Standard, 03.12.2014: Philippines drops key negotiators for Lima climate change talks

[2] Business Standard, 30.08.2014: US, EU nations try to split developing country group at climate change talks