Lücken im Umweltregime

Rund 1000 Umweltabkommen regeln manches mehrfach und anderes gar nicht

Das Netz aus internationalen Umweltabkommen ist historisch gewachsen und weist Überschneidungen und Lücken auf. Dies beeinträchtigt die Effizienz und erschwert eine effektive Umweltpolitik. Vor allem die USA und China wehren sich aber gegen ein effizienteres und wirksameres Umweltregime.

Internationale Umweltabkommen sind fast so alt wie die Menschheit. Anfangs ging es meist darum, wer der Natur wieviel entnehmen darf etwa an Wasser oder Holz. Heute regeln Umweltabkommen meist, wer die Natur mit wievielen und welchen Schadstoffen belasten darf. Wieviele Abkommen es gibt, ist unbekannt. „Es kommt darauf an, wie man zählt, aber manche Studien gehen von bis zu 1000 Abkommen aus.“ sagt Franz Perrez, der Chef der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt. „Immer wenn man ein spezifisches Problem hatte, hat man ad-hoc eine Lösung gesucht. Bis zu einem gewissen Grad ist das effizient, aber irgendwann wird das ineffizient. Wenn die Umweltminister an allen Treffen der Umweltabkommen teilnehmen wollten, dann wären sie 400 Tage im Jahr unterwegs.“ Und so empfiehlt der Schweizer „Umweltbotschafter“ die vielen Abkommen in fünf thematischen Gruppen zu bündeln: Klima, Artenvielfalt, Chemikalien (inklusive Schutz der Ozonschicht), Wald und Wasser.

Innerhalb der Gruppen können die verschiedenen Verträge dann zusammengeführt werden. „Bei den Chemikalien ist das gelungen.“ sagt Perrez. „Dort wurden auf Initiative der Schweiz die Sekretariate der drei Konventionen unter eine gemeinsame Leitung gestellt und gewisse Sekretariatseinheiten zusammengelegt. Beim Schutz der Artenvielfalt wollen wir nun einen ähnlichen Synergienprozess einleiten.“ Der Grund dafür ist simpel: Zum Teil überlappen sich die verschiedenen Verträge. So gibt es eine Konvention über gefährliche chemische Abfälle und eine andere Konvention, die deren Transport über Ländergrenzen regelt. „Da ist es sinnvoll, dass man das mit einer Gesamtsicht anpackt.“ sagt Perrez. Was einleuchtend klingt, ist aber nicht unbedingt einfach. „Die grossen Länder wie die USA, China oder Brasilien stehen diesem Ansatz kritisch gegenüber. Sie wollen lieber Einzelabkommen. Das macht eine umfassende Politik schwieriger und es gibt ihnen die Möglichkeit beim einen Abkommen mitzumachen und beim anderen nicht.“

Während Überlappungen zwischen den verschiedenen Abkommen ein Effizienzproblem sind, sind die Lücken zwischen den Abkommen aber ein Umweltproblem. So gibt es im Bereich Chemikalien „wichtige Lücken“ wie Perrez sagt. „Eine davon sind die Schwermetalle. Für Quecksilber laufen derzeit Verhandlungen. Das haben wir, die Schweiz, und Norwegen erreicht. Wir hätten aber auch gerne rechtlich verbindliche Regeln für Blei und Cadmium.“ Weitere Lücken bei den Chemikalien sieht Perrez ausserdem bei endokrinen Schadstoffen, Hormonen und bei der Nanotechnologie. „Bei den Nanos ist das Problem nicht die Eigenschaft der Chemikalie sondern die Grösse. Die sind so klein, dass wir vermuten, sie könnten sich in der Lunge ähnlich verhalten wie Asbest.“

Und dann gibt es zwei Themengruppen, wo eine zentrale Konvention fehlt: Wald und Wasser. „Beim Wasser gibt es viele regionale Abkommen über die Nutzung einzelner Flüsse, wie den Rhein, den Nil oder den Mekong, oder für gewisse Meeresgebiete. Es gibt aber keinen Ort, an dem die verschiedenen Aspekte der Wassernutzung und –verschmutzung zusammen angeschaut werden. Das Weltwasserforum ist ein Notbehelf und hat nicht die gleiche politische Bedeutung wie eine internationale Wasserkonvention.“ sagt Perrez. Ähnlich beim Wald: dort gibt es die Tropenholzkonvention, die von einem Rohstoffabkommen zu einem „eigentlichen Umweltabkommen“ weiterentwickelt wurde. Ausserdem spielt der Wald bei den Klimaverhandlungen eine wichtige Rolle. „Die Schweiz versucht dort möglichst viel Waldmanagement und Artenschutz zu integrieren. Denn aus Klimasicht kann man auch einfach eine Baumplantage aufziehen, dann wäre das CO2 gebunden. Aber einen derart beschränkten Ansatz wollen wir nicht unterstützen.“ Trotz der vielen bestehenden Abkommen dürfte den Umweltdiplomaten die Arbeit also nicht allzu bald ausgehen. mic

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