Leitartikel: Nehmt Putin die Kreditkarte weg

Dem Swift Netzwerk und Kreditkartenfirmen sollten Geschäfte mit russischen Banken untersagt werden

Es herrscht Krieg in Europa und der Angreifer ist dabei zu gewinnen. Militärisch lässt sich Russland nicht schlagen und die bisherigen Sanktionen haben zu wenig gebracht. Doch der Westen hat zwei Trümpfe, die der russischen Wirtschaft innert Tagen enormen Schaden zufügen können.

Es sieht gut aus für Vladimir Putin. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine hat Kiew nur noch schlechte Optionen. Ein Sieg der ukrainischen Armee gegen reguläre, russische Truppen gilt als ausgeschlossen. Kiew müsste sich folglich entweder in Verhandlungen auf die russischen Forderungen einlassen oder versuchen Russland in einem jahrelangen Guerillakrieg zu zermürben. Im ersten Fall, wäre Ukraines Präsident Petro Poroshenko gezwungen für sein Land den Status eines Vasallenstaates zu akzeptieren, der nicht frei über seine Mitgliedschaft in der EU oder der Nato entscheiden darf. Im zweiten Fall, drohen afghanische Verhältnisse in Europa: Tausende Tote und Millionen Flüchtlinge.

Der frühere iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad (rechts) könnte Vladimir Putin (links) sagen, dass mit Swift nicht zu spassen ist (Foto: Kreml)
Der frühere iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad (rechts) könnte Vladimir Putin (links) sagen, dass mit Swift nicht zu spassen ist (Foto: Kreml)

Beides kann der Westen nicht wollen. Doch die bisherigen Sanktionen hatten nicht den gewünschten Effekt. Die russische Wirtschaft stagniert und der Rubelkurs ist auf ein Rekordtief gefallen, aber die Russen jubeln immer noch ihrem Präsidenten zu. Eine weiterer Trippelschritt bei den Sanktionen wird daran Nichts ändern. Dies gilt etwa für ein Verbot, russische Staatsanleihen zu kaufen oder Hochtechnologie für die Erdgasförderung zu exportieren.[1] Letzteres wirkt eh nur langfristig und die Abkoppelung des russischen Staats vom Kapitalmarkt ist angesichts der geringen Staatsverschuldung und des geringen Budgetdefizits auch eine eher symbolische Waffe.

Anders verhält es sich mit zwei anderen Massnahmen: Zum einen kann man den grossen Kreditkartenfirmen, Visa und Mastercard verbieten weiter mit russischen Banken Geschäfte zu machen. Die beiden Firmen haben in Russland einen Marktanteil von über 90 Prozent. [2] Daher könnte man den russischen Konsumenten innert Sekunden die Nutzung von Kreditkarten verwehren. Dies trifft jede Volkswirtschaft hart. Zum anderen kann der Westen aber auch den elektronischen Zahlungsverkehr in und mit Russland lahmlegen. Russland nutzt für fast alle Überweisungen Swift. Dieses Kürzel steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Diese belgische Genossenschaft ermöglicht Überweisungen von einer Bank zu einer anderen. Mehr als 10‘000 Banken in 215 Ländern nutzen Swift. Dem normalen Konsumenten ist Swift durch die BIC/Swift Bankleitzahl bekannt. Was passiert, wenn ein Land von diesem Netzwerk ausgeschlossen wird, hat sich im Iran gezeigt. Als das Land von Swift abgekoppelt wurde, brach die Wirtschaft ein und nun verhandeln die Ayatollahs über ihr Atomprogramm. Ähnliche Auswirkungen dürfte ein Swift Ausschluss auch für Russland haben: „Es gibt keinen Zweifel, dass eine Einschränkung der russischen Swift Nutzung kurzfristig extrem einschneidende Folgen für Russlands finanzielle und kommerzielle Aktivitäten hätte.“ sagt Richard Reid von der Dundee Universität in Schottland. [3]

Doch bislang konnte sich der britische Ministerpräsident David Cameron mit seiner Forderung Russland von Swift auszuschliessen nicht durchsetzen. Den Hauptgrund erklärt Reid: „Dies könnte langfristig die Folge haben, dass grosse Teile von Russlands internationalem Zahlungsverkehr in weniger gut überwachte Kanäle abfliessen und in Zukunft nicht mehr mit Sanktionen belegt werden können.“ [3] Dabei ist sich Russland seiner Verwundbarkeit durch die Abhängigkeit von Swift längst bewusst. Im russischen Parlament liegt ein Gesetzentwurf bereit, der den Aufbau eines nationalen Systems durch die Zentralbank vorsieht. Das Gesetz muss aber warten, bis die „technischen Voraussetzungen“ dafür, geschaffen sind. [4] Und das kann viele Monate dauern. Ähnlich bei den Kreditkarten. Hier holt Russland nun China Union Pay, eine chinesische Kreditkartenfirma ins Land, um die Abhängigkeit von den beiden US Platzhirschen zu reduzieren. [5] Mittelfristig soll aber auch hier ein eigenes System aufgebaut werden. Kurz, im Moment hat der Westen mit seiner Kontrolle von Swift und den Kreditkartenfirmen noch zwei äusserst potente Waffen zur Verfügung, deren Wert aber immer weiter abnimmt. Daher sollte er diese nun nutzen.

Nach dem russischen Einmarsch in der Ostukraine sind der Westen und Russland auf der vorletzten Sanktionsstufe angekommen. Die letzte Stufe wäre dann ein westlicher Importstopp von russischem Öl und Gas nach der Einnahme von Kiew durch russische Truppen. Gegenüber EU Kommissionschef José Manuel Barroso hat Putin gesagt: „Wenn ich will, kann ich in zwei Wochen Kiew einnehmen.“ [6] Doch das darf er nicht wollen. Daher muss der Westen nun seine vorletzten Trümpfe ziehen. mic

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[1] Reuters, 01.09.2014: Ban on buying Russian bonds eyed as EU envoys meet

[2] Reuters, 23.05.2014: Visa, Mastercard Vow to Stay as Russia Softens Tone on Rules

[3] Bloomberg, 30.08.2014: U.K. Wants EU to Block Russia from SWIFT Bangking Network

[4] Reuters. 27.08.2014: Russia weighs local alternative to SWIFT payment system

[5] Russia Today, 15.08.2014: Russia launches China Union Pay credit card

[6] Spiegel Online, 01.09.2014: Angebliche Putin Drohung: “Wenn ich will, nehme ich Kiew in zwei Wochen ein”