Europa schrumpft und stolpert

Europa muss Platz machen für die grossen Schwellenländer

Bei der UN Generalversammlung letzte Woche hat Europa eine peinliche Schlappe kassiert. Die EU hatte ein eigenständiges Rederecht beantragt. Doch eine Gruppe von Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik hat den Antrag abgeschossen. Der Grund für diese Blamage war schlechte Vorbereitung durch die EU. „Ein Wort beschreibt, wie die EU hier gehandelt hat: Konfusion, totale Konfusion.“ zitiert der Blog euobserver.com einen europäischen Diplomaten.

Derart unprofessionelles Vorgehen kann Europa teuer zu stehen kommen, denn die Neuordnung der internationalen Organisationen ist in vollem Gang. Europa hat einen Anteil von acht Prozent an der Weltbevölkerung und von 28 Prozent an der Weltwirtschaft. In den je 24-köpfigen Direktorien der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds finden sich aber acht EU Mitglieder plus die Schweiz. Europa hält also 37,5 Prozent der begehrten Sitze. Doch vier der je 24 Sitze müssen alle zwei Jahre verlängert werden und die USA haben signalisiert, dass sie keiner weiteren Verlängerung zustimmen werden. Die beiden Gremien schrumpfen also. Europa hat hier zwei Möglichkeiten: Entweder Europa versucht seine vielen Sitze zu verteidigen und macht sich damit bei den grossen Schwellenländern unbeliebt, um schliesslich doch einige Sitze zu verlieren. Oder Europa geht in die Offensive und reklamiert nur noch einen einzigen Sitz – für die EU. Da wichtige Entscheidungen mit einer 85 Prozent Mehrheit getroffen werden müssen, erhielte Europa so ein Vetorecht. Sowohl die EU Kommission wie auch die europäische Zentralbank setzen sich für diese Lösung ein. Doch das letzte Wort haben die einzelnen Mitgliedsländer der EU. Diese müssen sich nun schnell einigen. Denn die neuen Direktorien müssen bis Ende Oktober im Amt sein.

Bei der Neuordnung der internationalen Organisationen geht es aber nicht nur um prestigeträchtige Posten, sondern auch um Inhalte. Im Zentrum der EU Aussenpolitik stehen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Gemäss einer neuen Studie haben die Europäer aber auch hier keine Erfolge vorzuweisen, im Gegenteil: Nur 40 Prozent aller Länder der Welt stimmen mit der EU bei Menschenrechtsfragen. Russland und China hingegen kommen hier auf knapp 70 Prozent Zustimmung. Selbst demokratische Länder wie Brasilien, Indien oder Südafrika stimmen regelmässig gegen die EU. Das war nicht immer so. Noch im Jahr 2000 hatte die EU Zustimmungsraten von über 70 Prozent. Der finnische Aussenminister Alexander Stubb schreibt denn auch in einem Leitartikel: „Um Resultate zu erzielen, müssen wir unseren Ansatz ändern. Wir sollten uns in Dialogen engagieren, statt Monologe zu halten.“ Wie bei der Abstimmung über das Rederecht muss Europa also lernen, um andere Länder zu werben. Denn die Zeiten als Europa das Mass aller Dinge war sind vorbei. mic

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