Lebensretter in den Schussfeldern

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hilft Opfern von Kriegen und Katastrophen

Humanitäre Hilfe ist eine Industrie. Ärzte ohne Grenzen (MSF) setzt jährlich mehr als eine Milliarde Franken um und beschäftigt 28 000 Mitarbeiter.

Drei Millionen Menschen verloren im Biafra-Krieg Ende der 1960er-Jahre ihr Leben. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) unterhielt eine Luftbrücke, über die Nahrungsmittel und Ärzte in die nigerianische Provinz gebracht wurden. Einer dieser Ärzte war Bernard Kouchner, der heute Aussenminister von Frankreich ist. Entgegen der auf Diskretion verpflichteten Politik des IKRK wollte er publik machen, was in Biafra vorgeht, die Welt aufrütteln, um dem Sterben ein Ende zu machen. Mit einer Gruppe Gleichgesinnter gründete Kouchner 1971 die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen – oder kurz: MSF (für Médecins Sans Frontières). 1999 erhielt die Organisation den Friedensnobelpreis.

Der Name ist Programm: MSF leistet medizinische Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten. Die mittlerweile wohl bekannteste Nicht-Regierungsorganisation der Welt ist einzig ihren Patienten verpflichtet und politisch und religiös ungebunden. MSF ist in 19 Ländersektionen organisiert. Alle sind in ihren jeweiligen Heimatländern als Verein konstituiert. Das höchste Entscheidungsgremium ist der Rat der 19 Sektionspräsidenten. Der Hauptsitz von MSF International befindet sich in Genf. Dort ist aber nur rund ein Zehntel der Angestellten beschäftigt, die übrigen sind in den Einsatzgebieten tätig.

Finanziert werden die Aktivitäten von MSF Schweiz durch Spendengelder aus der Schweiz (47%) und aus dem Ausland (40%) sowie durch Beiträge von Regierungen und internationalen Organisationen wie der EU. Auf dem Schweizer Spendenmarkt habe sich MSF einen Marktanteil von 5% erarbeitet, erklärt Thomas Kurmann, der Verantwortliche für Kommunikation und Spendenakquisition (Fundraising).

Im Schnitt belaufen sich die Spenden auf 200 Franken. Das wichtigste Instrument zur Spendenwerbung ist für MSF «direct mail», also persönlich adressierte Briefe mit einem Einzahlungsschein. Über vier Fünftel der Ausgaben entfielen auf die verschiedenen Projekte, erklärt Finanzdirektor Frédéric Valat. Kostenblöcke sind das Personal (48%), Medikamente und Nahrungsmittel (14%) und Logistik (13%).

Die drei grössten Operationen von MSF Schweiz waren letztes Jahr Nord- und Südsudan, Kongo und Niger. Insgesamt hat MSF Schweiz in den 22 Einsatzländern rund 800 000 Menschen medizinisch versorgt und gut 31 000 unterernährte Kinder wieder aufgepäppelt.

Die MSF-Mitarbeiter riskieren bei ihren Hilfsprojekten ihr Leben: Am 11. Juni 2007 erlag die Logistikerin Elsa Serfass ihren Schussverletzungen. Sie war auf einer Erkundungsreise in der zentralafrikanischen Republik, als ihr Fahrzeug unter Feuerbeschuss kam. Es war der erste Auslandseinsatz der 27-jährigen Französin. mic

Aus der Basler Zeitung vom 28.06.2007