Der Ölpreis fällt wieder

US-Schieferöl und Libyen machen Effekt von Opec-Deal zunichte

Pünktlich zur Reisezeit fällt der Ölpreis. Der Versuch des Ölkartells Opec, den Preis hochzutreiben, ist gescheitert. Was Autofahrer freut, sorgt für Haushaltsdefizite in Ländern wie Saudi Arabien.

Der Ölpreis ist innert eines Monats um 15 Prozent gefallen. Ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent ist jetzt für 45,90 Dollar zu haben. So wenig hat Öl zuletzt im November letzten Jahres gekostet. Damals beschloss das Ölkartell Opec zusammen mit Russland die Ölproduktion um 1,8 Millionen Fass pro Tag oder zwei Prozent der globalen Fördermenge zu reduzieren. Dieser Deal galt zunächst für ein halbes Jahr und vermochte den Preis auf bis zu 57 Dollar hochzutreiben (siehe Grafik). Im Mai diesen Jahres wurde der Deal um weitere neun Monate bis März 2018 verlängert. Trotzdem herrscht auf dem Ölmarkt nachwievor ein Überangebot.

Drei Jahre Schmerz. Vor drei Jahren kollabierte der Ölpreis und fiel von über 100 Dollar auf bis zu unter 30 Dollar. (Grafik: Screenshot Bloomberg)
Drei Jahre Schmerz. Vor drei Jahren kollabierte der Ölpreis und fiel von über 100 Dollar auf bis zu unter 30 Dollar. (Grafik: Screenshot Bloomberg)

In den letzten Monaten haben drei Länder ihre Ölförderung gesteigert: die beiden Opec-Mitglieder Nigeria und Libyen und die USA. Nigeria und Libyen waren von den Opec-Förderkürzung ausgenommen, da ihre Produktion im November letzten Jahres wegen Bürgerkriegs (Libyen) und schweren Unruhen (Nigeria) deutlich unter der normalen Fördermenge lag. Doch nun normalisiert sich die Ölproduktion in diesen Ländern wieder. Allein im Mai konnten die beiden Länder 340‘000 Fass pro Tag mehr aus dem Boden pumpen als noch im April und die Produktion steigt weiter. [1 s. S. 51] „Opec hat guten Willen gezeigt als es einige Länder von der Förderkürzung ausgenommen hat“, sagt Lukman Otunuga von der Devisenhandelsplattform Fxtm. „Doch das rächt sich jetzt.“[2]

Kollaps. Der Preisrutsch beim Öl könnte Venezuela endgültig in den Staatsbankrott treiben. (Foto: ビッグアップジャパン / Flickr)
Kollaps. Der Preisrutsch beim Öl könnte Venezuela endgültig in den Staatsbankrott treiben. (Foto: ビッグアップジャパン / Flickr)

Noch schneller steigt allerdings die Ölproduktion in den USA. Insbesondere Firmen, die mit der Fördertechnik ‚Fracking‘ Schieferöl fördern, können ihre Produktion sehr schnell ausweiten, wenn der Ölpreis steigt. So hat sich die Zahl der Bohrtürme in den letzten neun Monaten mehr als verdoppelt und die Ölproduktion ist um gut 800‘000 Fass pro Tag gestiegen. Damit haben die drei Länder gut die Hälfte der Förderkürzung durch die anderen Opec-Länder und Russland kompensiert. Die Opec-Förderkürzung werde als „Opec-Versagen und US-Gewinn“ gesehen, sagt denn auch Tony Headrick von CHS Hedging, einem US-Rohstoffbroker. [3]

Gewinner sind auch die Konsumenten in Europa und vor allem Autofahrer just zu Beginn der Ferienzeit. Verlierer sind hingegen Ölförderländer wie Saudi Arabien. Dieses hat bereits zwei magere Jahre hinter sich: Vorletztes Jahr lag das Haushaltsdefizit bei 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und letztes Jahr sogar bei über 17 Prozent. [4] Vor einem Monat, bei einem Ölpreis von über 50 Dollar haben Analysten gemäss einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg mit einem Defizit von knapp acht Prozent in diesem Jahr gerechnet. [5] Wie das Defizit bei einem Preis von 45 Dollar aussieht, ist aber noch nicht bekannt. Unklar sind auch noch die Auswirkungen auf eines der wichtigsten Projekte des neuen Kronprinzen Mohammed bin Salman: den Börsengang von Saudi Aramco, der staatlichen Ölfirma. Bin Salman will nächstes Jahr fünf Prozent der voraussichtlich wertvollsten Firma der Welt in London oder New York an die Börse bringen. Doch wieviel Saudi Aramco Wert ist hängt auch vom Ölpreis ab. Bin Salman hat die Firma in der Vergangenheit mit zwei Billionen Dollar (2‘000 Milliarden) bewertet. Analysten sehen den Preis aber näher bei einer Billion. [6]

Geradezu katastrophale Folgen dürfte der Preisrutsch in Venezuela haben. Das Land leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise und steht kurz vor dem Staatsbankrott. Zudem wird Venezuela seit knapp drei Monaten von heftigen Unruhen erschüttert, die schon mehr als 70 Tote gefordert haben. mic

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[1] Opec, 13.06.2017: Monthly Oil Market Report – June 2017 (PDF)

[2] The Guardian, 21.06.2017: Business Live

[3] Wall Street Journal, 20.06.2017: Oil Returns to Bear Market

[4] TradingEconomics, Stand 21.06.2017: Saudi Arabia Government Budget

[5] Bloomberg, 11.05.2017: Saudi Quarterly Budget Deficit Narrows With Oil Income Surge

[6] Oilprice, 20.06.2017: Why Is Saudi Arabia Desperate For Higher Oil Prices?