Trotz Kriegen sinkt der Ölpreis seit Juni

Sanktionen und sinkende Öleinnahmen bedrohen Russlands Staatshaushalt

Während die Ölnachfrage geringer ist als erwartet, steigt das Angebot. Das Resultat: Der Ölpreis fällt trotz der vielen schlechten Nachrichten aus wichtigen Förderländern.

Bürgerkriege in Libyen, Syrien und Irak. Ebola in Nigeria und ein Wirtschaftskrieg zwischen Russland und dem Westen. Bei einer solchen Nachrichtenlage würde man erwarten, dass der Ölpreis steigt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Während ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Ölsorte Brent im Juni noch 115 Dollar kostete, nähert sich der Preis mittlerweile der 100 Dollar Marke. Das ist der tiefste Stand seit mehr als einem Jahr. „Die geopolitische Risikoprämie ist auf nahe Null gefallen.“ sagt ein Analyst der schwedischen Nordea Bank. [1] Die sonst hypernervösen Ölhändler sehen offensichtlich keinen Grund zur Beunruhigung (siehe Grafik).

Entwicklung des Ölpreises (Brent) in den letzten sechs Monaten in Dollar pro Barrel (Grafik: ARD)
Entwicklung des Ölpreises (Brent) in den letzten sechs Monaten in Dollar pro Barrel (Grafik: ARD)

Gründe für diese Gelassenheit finden sich sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Zum einen wächst die Wirtschaft in Europa und China langsamer als erwartet. Das drückt die Nachfrage nach Öl. Zum anderen schwimmt die Welt derzeit in ‚schwarzem Gold‘: Trotz der Kämpfe in Libyen ist es gelungen zwei Ölverladeanlagen wieder in Betrieb zu nehmen. Dadurch erhöht sich das Angebot auf dem Weltmarkt, denn Libyen hat fast ein Jahr lang gar kein Öl mehr exportiert. [1] Und auch im Irak läuft die Ölförderung weiter: Die im Süden des Landes gelegenen Ölfelder sind vom Vormarsch der Kämpfer des Islamischen Staats IS (vormals ISIS) bislang unberrührt geblieben. [2] Hinzu kommt, dass Ende August die Pipelinekapazität aus dem kurdischen Teil des Iraks in die Türkei auf 200 000 Barrel pro Tag verdoppelt wird. [2] Nachdem die Kurden die nordirakische Ölstadt Kirkuk unter ihre Kontrolle gebracht haben, haben sie so auch eine Möglichkeit das neu hinzugewonnene Öl zu exportieren.

Die Ölförderung ist kapitalintensiv. Da trifft es sich schlecht, dass Russland grösster Ölkonzern Rosneft von westlichen Kapitalmärkten ausgeschlossen wurde. Denn dort sind die Zinsen niedriger als in Russland. (Foto: Rosneft)
Die Ölförderung ist kapitalintensiv. Da trifft es sich schlecht, dass Russland grösster Ölkonzern Rosneft von westlichen Kapitalmärkten ausgeschlossen wurde. Denn dort sind die Zinsen niedriger als in Russland. (Foto: Rosneft)

Eine deutliche Steigerung der Ölproduktion ist ausserdem in den USA gelungen. Fracking‘ hat dort nicht nur die Gas- sondern auch die Ölförderung revolutioniert. Dazu wird mit Chemikalien versetztes Wasser unter Hochdruck in die oft horizontalen Bohrlöcher gepresst, um das Gestein aufzubrechen und darin enthaltenes Öl herauszulösen. Dank dieser Technik konnten die USA ihre Ölproduktion in den letzten fünf Jahren um drei Millionen Barrel pro Tag auf nun 8,5 Millionen Barrel steigern. Und noch ist der Boom nicht zu Ende: Nächste Jahr sollen 9,3 Millionen Barrel pro Tag gefördert werden. Damit schliessen die USA zu Saudi-Arabien auf: Das Wüstenkönigreich fördert derzeit 11,5 Millionen Barrel pro Tag. Da die USA immer mehr eigenes Öl haben, importieren sie weniger: Im Vergleich zu letztem Jahr sind die Ölimporte um ein Vîertel gesunken, was den Weltmarktpreis für Öl unter Druck setzt. [2]

Besonders heikel ist diese Entwicklung für den grössten Ölproduzenten der Welt, Russland. Die Hälfte der Staatseinnahmen stammt aus Exportsteuern auf Öl und Gas. Aus diesem Grund ist der russische Staatshaushalt an den Preis der russischen Ölsorte Urals gekoppelt. Deren Preis ist diese Woche auf 97 Dollar pro Barrel gefallen – ein Kurssturz um mehr als 15 Dollar in einem Monat. Für einen ausgeglichenen Haushalt benötigt der russische Finanzminister aber einen Preis von 114 Dollar. [1] Nicht berücksichtigt sind dabei zusätzliche Ausgaben für die Annexion der Krim und die Krise in der Ostunkraine. Der niedrige Ölpreis hat zudem nicht nur kurz- sondern auch langfristige Auswirkungen auf Russlands Staatsfinanzen: „Alle grossen Investitionsprojekte (zur Erschliessung neuer Ölvorkommen) beruhen auf der Annahme von steigenden nicht fallenden Ölpreisen“ sagt Andrei Polischyuk, ein Öl- und Gasanalyst der Raiffeisenbank. [4] Hinzu kommt, dass die EU und US Sanktionen auch auf die Ölindustrie abzielen. So wurde Russlands grösster Ölkonzern Rosneft von den westlichen Kapitalmärkten ausgeschlossen. Rosneft hat 44 Milliarden Dollar Schulden und muss diese nun in Russland refinanzieren. Da trifft es sich schlecht, dass die Zinsen für russische Staatsanleihen wegen der hohen Inflation und zur Verhinderung von Kapitalflucht mittlerweile bei über neun Prozent liegen. (Zum Vergleich: Deutsche Bundesanleihen werden mit einem Prozent verzinst.) Das beeinträchtigt Rosnefts Pläne zum Ausbau der Ölproduktion. Ausserdem wurde der Export von westlicher Ölfördertechnik nach Russland durch die Sanktionen eingeschränkt, was die Erschliessung neuer Vorkommen weiter verteuert. Der niedrige Ölpreis verstärkt daher die Wirkung der westlichen Sanktionen. Einziger Trost ist hier der stark gefallene Rubelkurs: Da Öl in Dollar gehandelt wird, bekommt Moskau nun mehr Rubel für seine Petrodollars. mic

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[1] Reuters, 18.08.2014: Russian oil prices fall below 100$/barrel, straining budget

[2] Die Welt, 19.08.2014: Der mysteriöse Ölpreis-Verfall

[3] Reuters, 19.08.2014: Med Crude-Urals stronger in tenders as margins recover

[4] The Moscow Times, 19.08.2014: Struggling With Sanctions, Russia Faces Oil Price Crash