Und immer droht der Kleinste Gemeinsame Nenner

Strittige Punkte werden einfach aus dem Vertragstext gestrichen

Eine Sitzung, die von abends um acht auf Mitternacht, dann auf vier Uhr morgens und schliesslich auf die Mittagszeit des folgenden Tages verschoben wird, erstaunt hier niemanden. Die „Freunde der Konferenzpräsidentschaft“, eine Gruppe von 25 Ländern, hätte dort das weitere Vorgehen besprechen sollen. Doch die Sitzung hat immer noch nicht stattgefunden. Grundlage der Besprechung hätte das Abschlusspapier der Arbeitsgruppe sein sollen, die die Verpflichtungen der Nicht-Kyoto-Länder (inklusive den USA) diskutiert. Dieses Papier wurde heute Morgen um sieben fertiggestellt. Doch noch wurde es nicht formell an den Konferenzpräsidenten übergeben. Es fehlt die Zustimmung der USA und so geht auf dieser Verhandlungsschiene offiziell nichts mehr.

Das fragliche Dokument wird immer kürzer. Längst besteht nicht mehr genug Zeit, um nach Kompromissen in strittigen Punkten zu suchen. Diese werden einfach gestrichen. Während kürzere Texte vor kurzem noch Ausdruck von Fortschritt in den Verhandlungen waren, sind Kürzungen in diesem Stadium ein Warnsignal: Sie deuten daraufhin, dass sich die Länder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. So ist etwa das globale Reduktionsziel für das Jahr 2050 aus dem Text verschwunden. Indien weigert sich ein derartiges Ziel anzuerkennen, da es befürchtet dadurch zu Emissionsreduktionen gezwungen zu werden. Und so geht es in vielen strittigen Fragen. Das Resultat, der kleinste gemeinsame Nenner, dürfte aber kaum ausreichen, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.

Echte „Fortschritte“ gibt es derweil von der Front des diplomatischen Protokolls zu vermelden. Der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen hat heute das Amt des Konferenzpräsidenten von seiner Ministerin Connie Hedegaard übernommen. Da mehr und mehr Staats- und Regierungschefs da sind, sollte aus protokollarischen Gründen das Amt von einem der ihren ausgefüllt werden. Seine erste Amtshandlung war allerdings ein Desaster: Statt auf das oben erwähnte Abschlusspapier zu warten, wollte er die Dinge mit einem dänischen Vorschlag beschleunigen. Noch immer traumatisiert vom letzten dänischen Versuch etwas zu Papier zu bringen, gingen die Entwicklungsländer aber sofort auf die Barrikaden. Um die Situation zu entschärfen, hat man sich dann darauf geeinigt, dass es das zweite dänische Papier nie gegeben hat. Wollen wir hoffen, dass dies nicht auch dem Weltklimavertrag als ganzes widerfahren wird.

Der einzige Lichtblick an einem ansonsten grauen und regnerischen Tag kam aus der afrikanischen Delegation. Nachdem sich deren Chef, der Premierminister von Äthiopien Meles Zenawi, gestern mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy getroffen hatte, besteht zwischen Europa und Afrika einen neue „entente cordiale“. Die Afrikanische Union hat sich weitgehend den europäischen Vorschlag für die langfristige Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen zu eigen gemacht. Damit besteht in dieser zentralen Frage Übereinstimmung zwischen einem Teil der Entwicklungs- mit einem Teil der Industrieländer. Dies dürfte der Druck auf die USA erhöhen, das einzige grosse Industrieland, das noch keine nennenswerten Finanzzusagen gemacht hat. Ob dies die USA interessiert, ist allerdings unklar. Die Geschichte der UN Klimaverhandlungen zeigt, dass die Supermacht meist nur in Selbstgesprächen zuhört. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email