Der Ölpreis ist in sechs Wochen um knapp ein Viertel gefallen

Grosszügige Ausnahmen von Iransanktionen führen zu Überangebot

Vor kurzem wurde noch über einen Ölpreis von 100 Dollar spekuliert. Nun stellt sich die Frage, wie tief er fallen wird. Entschieden wird dies nicht nur von Fundamentaldaten sondern auch von den Launen eines Mannes: US-Präsident Donald Trump.

Die Inflation in Deutschland ist im Oktober auf ein Zehn-Jahres-Hoch gestiegen: 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Grund dafür waren inbesondere die hohen Energiepreise. Anfang Oktober lag der Preis für ein Fass (159 Liter) der Nordsee-Ölsorte Brent bei 86 Dollar. Doch seither ist der Preis auf 67 Dollar abgestürzt – ein Minus von 22 Prozent. Für den plötzlichen Einbruch gibt es drei Gründe: Das Angebot, die Nachfrage und die US-Sanktionen gegen den Iran.

Zuerst zu den Sanktionen, denn diese hatten mit dazu geführt, dass der Preis überhaupt erst auf 86 Dollar gestiegen ist. Die USA haben im Mai angekündigt sich aus dem Atomabkommen zwischen dem Iran, den USA und der EU zurückzuziehen und wieder Sanktionen einzuführen. Diese traten am 4. November in Kraft. Da waren die iranischen Ölexporte bereits von 2,8 Millionen Fass pro Tag im April auf noch 1,8 Millionen gefallen und der Markt erwartete einen weiteren Rückgang auf noch eine Million Fass. Folglich stiegen die Preise. Doch dann kam die Überraschung: Acht Länder dürfen für weitere sechs Monate Öl aus dem Iran importieren, ohne von Washington dafür abgestraft zu werden. Diese acht Länder nehmen dem Iran rund drei Viertel seiner Ölexporte ab. Dabei handelt es sich um China, Indien, Südkorea, Japan, Italien, Griechenland, Taiwan und die Türkei. US-Präsident Donald Trump sagte zu den Ausnahmen: „Ich könnte Irans Öl sofort auf Null bringen aber das wäre ein Schock für den Markt. Ich will die Ölpreise nicht anheben.“ [1]

Khashoggi-ed. Während den USA der Krieg im Yemen egal ist, können sie die Ermordung von Jamal Khashoggi nicht ignorieren. (Foto: Alisdare Hickson / Wkipedia)
Khashoggi-ed. Während den USA der Krieg im Yemen egal ist, können sie die Ermordung von Jamal Khashoggi nicht ignorieren. (Foto: Alisdare Hickson / Wkipedia)

Damit war plötzlich mehr Öl im Markt als erwartet, denn Saudi Arabien und Russland hatten ihre Produktion bereits ausgeweitet, um den Effekt der Iransanktionen abzufedern. Im Oktober lagen die Exporte Saudi Arabiens zum ersten Mal wieder über dem Niveau von vor zwei Jahren. Damals hatten das Ölkartell Opec und Russland vereinbart, die Exporte zu drosseln, um den Ölpreis anzuheben. Nicht gebunden an den Opec-Russland Deal waren zudem die US-Fracker und diese nutzten den steigenden Ölpreis, um ihre Produktion deutlich auszuweiten – von 8,7 Millionen Fass pro Tag am Ende des Jahres 2016 auf 11,7 Millionen Fass heute. [2] Damit sind die USA nun der grösste Ölproduzent der Welt. Nächstes Jahr dürfte sich der US-Vorsprung sogar noch ausweiten: Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass die US-Produktion um weitere 1,3 Millionen Fass pro Tag steigt. [3] „Es ist ein verblüffende Trendumkehr und bringt enorme wirtschaftliche und bis zu einem gewissen Grad geopolitische Vorteile“, sagt Jason Bordoff von der US-Universität Columbia. [4] Trotzdem sind die USA noch weit von der globalen „Energiedominanz“ entfernt, die Trump anstrebt: „Wahrer Einfluss beruht nicht nur darauf, wieviel man produziert, sondern von der Fähigkeit das Angebot schnell zu erhöhen oder zu verringern und das kann nur Saudi Arabien“, sagt Bordoff gegenüber dem US-Magazin Foreign Policy. [4] Denn dort wird die Ölproduktion von einer einzigen Firma im Staatsbesitz kontrolliert, Saudi Aramco, während in den USA viele oft kleine Firmen für die Rekordproduktion verantwortlich sind. Genau diesen Vorteil will Saudi Arabien nun nutzen: das Königreich verlangt, dass die Opec zusammen mit Russland die Produktion um 1,4 Millionen Fass pro Tag drosseln. Entschieden wird das vielleicht schon am Nikolaustag bei der nächsten Opec-Sitzung.

Was aber, wenn gar nicht das Angebot sondern die Nachfrage für den Preisverfall verantwortlich ist? Diese leidet derzeit unter drei Faktoren: den zunehmenden Spannungen im Welthandel, steigenden US-Zinsen und wirtschaftlichen Turbulenzen in einigen Schwellenländern wie der Türkei oder Argentinien. Falls der aktuelle Preisrutsch Nachfrage-bedingt ist, wäre dies das schlechtestmögliche Szenario für die Opec und Russland. Denn dann müssten sie ihre Förderung drastisch drosseln, um sowohl die steigende US-Produktion als auch die sinkende Ölnachfrage zu kompensieren. Damit würden sie allerdings den Zorn von Trump auf sich ziehen. Dieser twitterte am Donnerstag: „Hoffentlich werden Saudi Arabien und die Opec ihre Ölproduktion nicht kürzen. Die Ölpreise sollten viel niedriger sein!“ [5] Besonderes Gewicht erhält dieser Appell vor dem Hintergrund der Affäre um den Journalisten Jamal Khashoggi, der in Saudi Arabiens Konsulat in Istanbul ermordet wurde. Die Affäre erlaubt es derzeit Trump, den Druck auf die saudische Regierung nach Belieben zu erhöhen oder zu senken – so wie es Saudi Aramco mit der Ölförderung tun kann. Kurzfristig haben die USA so vielleicht tatsächlich, was Trump sich wünscht: Energiedominanz. mic

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[1] Livemint, 06.11.2018: US renews Iran sanctions; India, China get oil waivers

[2] EIA, Stand 16.11.2018: Weekly US field production of crude oil

[3] Reuters, 14.11.2018: Global oil market faces surplus throughout 2019 as demand growth slows

[4] Foreign Policy, 14.11.2018: Why American Oil Hasn’t Been a Total Game-Changer

[5] Donald Trump, 13.11.2018: Tweet