Die Schlacht der Geheimpapiere

Kleinstaat aus der Südsee bringt Klimaverhandlungen auf Trab

“Die Konferenz ist ein Erfolg bevor sie begonnen hat” sagte Yvo de Boer, der Leiter der Klimaverhandlungen in Kopenhagen, zu Beginn der Woche. Alle wichtigen Länder haben Angebote für die Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen vorgelegt und mehr als 110 Staats- und Regierungschefs ihr Kommen angekündigt. Damit sind die Grundvorausetzungen für einen erfolgreichen Abschluss erfüllt. In der ersten Hälfte der Woche sorgte dann aber erstmal ein dänisches “Geheim”papier für Streit. Obwohl dieser Entwurf für das Abschlusscommuniqué bereits vor Konferenzbeginn erstellt wurde und den wichtigsten Ländern bekannt war, reagierte der Vorsitzende der Gruppe der Entwicklungsländer mit viel Melodramatik auf dessen Veröffentlichung. Unter Tränen berichtete Lumumba Di-Aping Vertretern der afrikanischen Staaten: “Wir wurden gebeten einen Selbstmordpakt zu unterzeichnen.”

Als Reaktion auf den dänischen Vorschlag haben dann einige Schwellenländer ihr eigenes Geheimpapier erarbeitet. Brasilien, China, Indien, Südafrika und der Sudan, eine Ländergruppe die unter dem Akronym BASIC firmiert, lehnen darin verbindliche Grenzwerte für die Treibhausgasemissionen von Entwicklungsländern ab. Damit wollten sich die kleinen Inselstaaten, die wegen des steigenden Meeresspiegels vom Untergang bedroht sind, aber nicht abfinden. Tuvalu erhob die Forderung ein “Kopenhagen Protokoll” zu verabschieden, mit dem Ziel die Klimaerwämung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bislang strebt die Staatengemeinschaft eine Begrenzung auf zwei Grad an. Der Vorschlag der Südseeinsulaner stiess denn auch prompt auf heftigen Widerstand Chinas, da ein 1,5 Grad Ziel nur zu erreichen ist, wenn auch die Schwellenländer ihre Emissionen schnell massiv senken. China lehnte daher die Forderung Tuvalus ab, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die das vorgeschlagene “Kopenhagen Protokoll” diskutiert. Da weder China noch Tuvalu bereit waren nachzugeben, mussten die Verhandlungen am Donnerstag teilweise suspendiert werden.

Der Freitag begann so unter ungünstigen Vorzeichen: Drei längst nicht mehr geheime aber nachwievor unvereinbare Papiere und eine Suspendierung der Verhandlungen wegen prozeduraler Fragen. Am Mittag kommt dann aber wieder Bewegung ins Spiel. Die Vorsitzenden der beiden Verhandlungsstränge publizieren aufeinander abgestimmte Entwürfe für das Ergebnis der Konferenz. Damit treten die Klimaverhandlungen in eine neue Phase ein: Nachdem bislang auf Diplomatenebene verhandelt wurde, schaffen die beiden neuen Entwürfe nun die Grundlage für Gespräche auf Ministerebene. Bereits heute treffen sich in Kopenhagen Umweltminister aus der ganzen Welt, um die Verhandlungen weiter voranzutreiben und eine Grundlage für die Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs in der zweiten Hälfte der kommenden Woche zu legen. Dabei stehen drei Themenkomplexe im Vordergrund:

  • Zielsetzung: Während das Intergovernmental Panel of Climate Change IPCC im Jahr 2007 zum Schluss gekommen ist, dass eine Erwärmung um zwei Grad ein beherrschbares Risiko darstellt, mehren sich nun wissenschaftliche Studien, die eine Begrenzung auf 1,5 Grad fordern. Dies wurde in den Verhandlungen bislang aber ausgeblendet und steht nur dank der hartnäckigen Intervention Tuvalus wieder auf der Traktendenliste.
  • Schwellenländer: Gemäss der UN Rahmenkonvention über den Klimawandel UNFCCC sind nur Industriestaaten dazu verpflichtet ihre Emissionen zu senken. Mit Verweis darauf lehnen die Entwicklungsländer Obergrenzen für ihre Emissionen ab. Infolge des Tuvalu Vorstosses zeigt der bislang monolithische Block der Entwicklungsländer nun aber Risse. Wie zuvor schon die Industriestaaten verlangen nun auch die meisten Entwicklungsländer, dass sich die grossen Schwellenländer wie China, Brasilien und Indonesien dazu verpflichten ihre Emissionen in absehbarer Zeit zu senken.
  • Rechtliche Verbindlichkeit: Die meisten Beobachter hatten sich bereits damit abgefunden, dass in Kopenhagen kein unterschriftsreifer Vertrag herauskommen würde. Mit den Entwürfen der Verhandlungsleiter sieht die Lage aber nun wieder anders aus: Wenn auch nicht unbedingt ein völkerrechtlicher Vertrag unterzeichnet werden wird, so besteht dennoch die Chance, dass das Ergebnis in Form rechtlich verbindlicher UNFCCC Beschlüsse verabschiedet werden kann.

Kurz, den Verhandlungsdelegationen ist es gelungen, eine solide Grundlage für die Diskussionen auf Ministerebene zu legen. So weit war die Welt im Kampf gegen den Klimawandel noch nie. Was jetzt noch fehlt sind ambitioniertere Reduktionsziele und Geld. Während grosse Fortschritte in Bezug auf die Form des künftigen Weltklimaabkommens erzielt wurden, lässt der Durchbruch in Bezug auf dessen Inhalt also noch auf sich warten. Und hier müssen vor allem die Industrieländer noch nachlegen. Selbst die EU liegt mit ihrem Angebot, die Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren, noch unter dem vom IPCC geforderten Minimum von 25 Prozent. Das Ergebnis: Mit den derzeit zugesicherten Emissionssenkungen erwärmt sich das Klima um 3,8 Grad (siehe Grafik). Und auch in der Finanzfrage fehlt noch ein Befreiungsschlag. Diese Woche wurde viel über eine Anschubfinanzierung in der Höhe von 10 Milliarden Dollar pro Jahr für die Jahre 2010 bis 2012 diskutiert. Dadurch geriet der Finanzbedarf für die Zeit nach 2012 in den Hintergrund. Und dieser ist ungleich höher: Bis 2020 werden voraussichtlich 200 Milliarden Dollar pro Jahr benötigt. Dass bei den inhaltlichen Fragen keine Fortschritte erzielt wurden, erstaunt allerdings nicht. Diese können letzlich nur die Staats- und Regierungschefs entscheiden. Wichtig ist, dass die Grundstruktur des Abkommens von Kopenhagen steht, sodass sich die “Führer der Welt” auf die eigentlichen Knackpunkte konzentrieren können. Dass dies erreicht wurde, hat die Menschheit einem Kleinstaat in der Südsee zu verdanken: Tuvalu, 26 Quadratkilometer, 12 000 Einwohner, höchste Erhebung: 4,5 Meter über dem Meer. mic

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