Schmuggler verdienen mit Klimagift Unsummen

Große Mengen an Kältemitteln werden illegal in die EU eingeführt

Geringes Risiko und große Gewinne. Diese Kombination ist eine Einladung an Kriminelle und genau diese Kombination besteht ausgerechnet bei einer Klasse an besonders klimaschädlichen Substanzen.

Sie sind oft mehrere tausendmal klimaschädlicher als CO2: Fluorkohlenwasserstoffe (FKWs oder F-Gase). Eingesetzt werden diese Klimakiller in Klimaanlagen und Kühlschränken und ersetzen dort FCKWs, die wegen ihres Chloratoms (C) die Ozonschicht zerstören. Dank einer Ergänzung des Montreal Abkommens zum Schutz der Ozonschicht, dem Kigali Amendment, sollen nun aber auch FKWs weltweit abgeschafft werden. Dazu wird in der EU die Menge an FKWs, die noch verkauft werden darf, schrittweise gesenkt. Wer FKWs produziert oder aus dem Ausland importierte FKWs in der EU verkauft, braucht daher eine Quote. Diese Quoten werden kostenlos vom FKW-Register vergeben und sind sehr beliebt: Seit dem Jahr 2015 ist die Zahl der offiziell registrierten Importeure von 282 auf 1675 gestiegen, ein Anstieg um 500 Prozent. [1]

Verdächtig. In vollem Tageslicht geht dieser Gashändler seiner Arbeit nach. (Foto: Michael Brace / Flickr)

Die plötzliche Begeisterung für den Handel mit Klimagiften hat einen einfachen Grund: Durch die künstliche Verknappung des Angebots sind FKWs in der EU sehr viel teurer als im Ausland und der Import ist folglich sehr lukrativ. Dieses Preisgefälle nutzen auch Schmuggler wie die Umweltorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) herausgefunden hat. Bei der Vorstellung des zweiten EIA-Berichts zum FKW-Schmuggel mahnt Clare Perry die EU das Thema ernster zu nehmen: „Das schiere Ausmaß der illegalen FKW-Importe in die EU sollte in der gesamten EU die Alarmglocken läuten lassen. Dies ist das größte Öko-Verbrechen, von dem noch niemand etwas gehört hat, und das muss sich schnell ändern.“ [2] Das Ausmaß ist tatsächlich eindrücklich: EIA schätzt, dass FKWs mit einer Klimawirkung von 31 Millionen Tonnen CO2 letztes Jahr in die EU geschmuggelt wurden. [1] Das entspricht den Emissionen von Schweden.

Einen Teil der Menge lässt sich finden, indem man die Import- und Exportzahlen verschiedener Länder vergleicht. Gemäß EU-Zahlen importierte die EU letztes Jahr 160 Tonnen FKWs aus der Türkei. Der türkische Zoll hingegen hat Exporte von 706 Tonnen erfasst. Ähnlich sieht es beim Handel mit China aus. Auch hier liegen die Importe einiger EU-Länder deutlich unter den Mengen, die der chinesische Zoll veröffentlicht hat. Auffällig ist auch, dass Nachbarländer der EU wie die Türkei und die Ukraine heute doppelt so viele FKWs aus China importieren als im Jahr 2015. Da der Kühlmittelbedarf dieser Länder kaum sprunghaft gestiegen sein dürfte, liegt der Verdacht nahe, dass ein Teil dieser FKWs legal oder illegal in die EU exportiert wird. Illegale FKWs sind denn auch überall zu finden: Hessen hat vorletztes Jahr Autowerkstätten überprüft und schätzt, dass ein Viertel davon illegal eingeführte FKWs benutzen.

Ein Problem ist, dass der Handel mit FKWs nicht durchgängig kontrolliert wird. Nur derjenige, der FKWs zum ersten Mal auf den Markt bringt, braucht dafür eine Quote. Anschließend können FKWs frei gehandelt werden – ohne Nachweis, dass sie anfangs legal auf den Markt gebracht wurden. Ein weiteres Problem sei die laxe Strafverfolgung, sagt Perry: „Der illegale Handel floriert, weil Strafverfolgungen und Geldstrafen selten sind und in der Regel nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den zu erzielenden Gewinnen stehen.“ [2] Außerdem können EU-Staaten FKWs nicht an der Grenze beschlagnahmen, wenn sich herausstellt, dass der Importeur gar keine Importquote hat. In diesem Fall wird die Ware einfach an den Absender zurückgeschickt und auch der designierte Empfänger wird nicht bestraft. Bei so viel Nonchalance wundert es nicht, dass manche hier eine lukrative Geschäftsidee wittern. Wie lange diese noch besteht, entscheidet Brüssel. Weil die EU-Klimaziele verschärft werden, müssen auch die Regeln zum Handel mit FKWs überarbeitet werden. Dies sei „eine günstige Gelegenheit um den ‚Gold Standard‘“ für den Umgang mit FKWs zu definieren, meint EIA. mic

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[1] EIA, 08.07.2021: Europe’s Most Chilling Crime: The illegal trade in HFC refrigerant gases (PDF)

[2] EIA, 08.07.2021: We expose illegal refrigerant trade in Europe – ‘the biggest eco-crime no one’s heard of’