Indien gibt ein Dogma auf

Delhi macht Vorschlag zur Reduktion von Super-Treibhausgasen mit Hilfe des Ozonprotokolls

Darf man den Klimaschutz auch mit einem Abkommen zum Schutz der Ozonschicht voranbringen? „Nein“ lautet bislang die Antwort aus Indien. Doch mit dieser Meinung stand Delhi zuletzt alleine da und hatte nun ein Einsehen.

Über die Reduktion von Treibhausgasen wird nicht nur im Rahmen der UN-Klimakonvention verhandelt. Das bislang wirksamste Klimaschutzabkommen ist das Montreal Protokoll zum Schutz der Ozonschicht. Mit diesem wurden die ozonschädlichen FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) abgeschafft, sodass sich das Ozonloch nun wieder schliesst. Doch FCKWs schaden nicht nur der Ozonschicht sondern sind auch potente Treibhausgase. Durch das FCKW Verbot wurde daher der Gegenwert von 135 Milliarden Tonnen CO2 seit dem Jahr 1989 vermieden. Das entspricht den weltweiten CO2 Emissionen von mehr als vier Jahren. Doch diese Errungenschaft ist in Gefahr: In vielen Ländern wird das FCKW in Kühlschränken und Klimaanlagen durch FKWs (Fluorkohlenwasserstoffe) ersetzt. Diese schaden zwar nicht der Ozonschicht, sind dafür aber 11‘700 mal klimaschädlicher als CO2. Wenn deren Produktion unkontrolliert zunimmt, werden FKWs im Jahr 2050 knapp ein Fünftel der weltweiten Treibhausgasemissionen ausmachen, schätzt die UNO.

Antrittsbesuch: Um nicht mit leeren Händen dazustehen, hat Narendra Modi seinem neuen Freund "Barack" versprochen, endlich den Widerstand gegen die einfachste Klimaschutzmassnahme der Welt aufzugeben (Bild: US Regierung)
Antrittsbesuch: Um nicht mit leeren Händen dazustehen, hat Narendra Modi seinem neuen Freund “Barack” versprochen, endlich den Widerstand gegen die einfachste Klimaschutzmassnahme der Welt aufzugeben (Bild: US Regierung)

Aus diesem Grund möchten die USA und die EU FKWs ebenfalls mit Hilfe des Montreal Protokolls aus der Welt schaffen. Das Protokoll ist dazu gut geeignet. Zum einen ist es das einzige UN-Abkommen, dem alle Länder der Welt angehören und zum anderen hat es sich als effizientes und billiges Instrument zur Abschaffung ganzer Stoffklassen erwiesen. Doch bislang durfte im Rahmen des Montreal Protokolls noch nicht mal über die Abschaffung von FKWs vehandelt werden. Indien bestand darauf, dass einzig die UN-Klimakonvention für den Schutz des Klimas verantwortlich ist. Denn beim Montreal Protokoll sind alle Staaten in der Pflicht, während nach indischer Lesart der Klimaschutz für Entwicklungsländer immer noch freiwillig ist. Um den indischen Widerstand zu brechen, hat US-Präsident Barack Obama FKWs zur Chefsache gemacht: Beim Antrittsbesuch des neuen indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi hat Obama diesem die Zustimmung abgerungen, dass die FKW Emissionen doch mit Hilfe des Montreal Protokolls reduziert werden. [1]

Kühlen heizt das Klima auf: Die Grafik zeigt die Klimawirkung des FKW Einsatzes in verschiedenen Sektoren. "RACHP" steht hier für Refrigeration, Air-Conditioning und Heat Pumps oder kurz für Kühlung. (Quelle: Unep, siehe [2])
Kühlen heizt das Klima auf: Die Grafik zeigt die Klimawirkung des FKW Einsatzes in verschiedenen Sektoren. “RACHP” steht hier für Refrigeration, Air-Conditioning und Heat Pumps oder kurz für Kühlung. (Quelle: Unep, siehe [2])
Nun hat Indien geliefert: Das Land hat einen eigenen Vorschlag zur Reduktion von FKWs beim Montreal Protokoll eingereicht. [3] Industriestaaten sollen diese Gase bis 2035 weitgehend abschaffen, während Entwicklungsländer bis 2050 Zeit haben. Damit liegen nun vier Vorschläge auf dem Tisch: von den USA, der EU, Mikronesien und eben Indien. „Es gibt Unterschiede zwischen den Vorschlägen, aber diese Unterschiede sind einfach zu verhandeln.“, sagt David Doninger von der US-Umweltorganisation Natural Resources Defense Council. „Es besteht eine reale Chance, diesen Herbst zu einem FKW Abkommen zu kommen.“ [4] Im November tagen die Mitglieder des Montreal Protokolls in Dubai. Wenn ihnen dort der Durchbruch gelingt, wäre das Abkommen pünktlich zur Klimakonferenz im Dezember in Paris fertig und würde den dortigen Verhandlungen Schwung verleihen: „Es würde Momentum für einen erfolgreichen Abschluss in Paris erzeugen.“ sagt Durwood Zaelke vom Institute for Governance and Sustainable Development. „Ein Erfolg beim FKW Abkommen liefert kurzfristig den grössten, schnellsten, billigsten und zuverlässigsten Beitrag zum Klimaschutz.“ [5]

Bis es soweit ist, muss aber noch die Finanzierungsfrage geklärt werden: Bislang werden im Rahmen des Montreal Protokolls den Entwicklungsländern nur die zusätzlichen Kosten vergütet, die ihnen durch den Schutz der Ozonschicht entstehen. Der indische Vorschlag zur Reduktion der FKW Emissionen sieht hingegen vor, dass die Industriestaaten die gesamten Kosten für die Umstellung auf andere Substanzen bezahlen. [6] Ein UN Bericht schätzt, dass diese Kosten in den Entwicklungsländern zwischen 500 Millionen und 3,2 Milliarden Dollar liegen. [7] Ein Teil davon liegt bereits auf dem Tisch. Die USA und einige andere Industriestaaten haben 508 Millionen Dollar über drei Jahre in Aussicht gestellt. Aus Sicht von Zaelke ist das „eine unglaublich bescheidene Investition für die Klimavorteile, die wir dafür bekommen.“ [8] mic

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[1] weltinnenpolitik, 03.10.2014: Obama und Modi einigen sich auf die einfachste Klimaschutzmassnahme der Welt

[2] Unep Ozone Secretariat, 20.04.2015: Factsheet 2 – Overview of HFC Market Sectors (PDF)

[3] Indien, 20.04.2015: Proposed Amendment to the Montreal Protocol (Word file)

[4] Reuters, 30.04.2015: Europe calls for tougher limits on super greenhouse gases

[5] rtcc, 17.04.2015: India hostility to HFC phase-out thaws, submits plans to UN

[6] nrdc, 20.04.2015: Progress on Climate Change: India Takes Driver’s Seat in Amending the Montreal Protocol – Part 2

[7] Unep Ozone Secretariat, Oktober 2014, Seite 6: Teap Report – Volume 4 (PDF)

[8] Bloomberg, 19.03.2015: An $8 Billion Push to Cool the Globe Has Poor Countries Steaming