Kommentar: Jetzt ist die Geisel tot

Freihandel ist das einfachste Mittel, um Wachstum zu generieren und die Armut in der Welt zu bekämpfen. Und das naheliegendste Instrument zur Erleichterung von Handel ist Bürokratieabbau durch die Standardisierung von Zollformalitäten. Mit dem vorerst gescheiterten TFA Abkommen, das genau darauf abzielt, hätte die weltweite Wohlfahrt um über ein Prozent oder 1000 Milliarden Dollar gesteigert werden können, wie ein Think Tank ausgerechnet hat. Doch daraus wird Nichts: Weil Indiens Regierungspartei BJP ihre Wählerbasis auf dem Land ausbauen will, hat Delhi das Abkommen als Geisel genommen – trotz Zustimmung durch die Vorgängerregierung. Dies ist zum einen ein eklatanter Vertrauensbruch und Ausdruck einer Verrohung der Sitten auf dem internationalen Parkett (siehe dazu auch die Annexion der Krim durch Russland und Chinas unspezifizierte dafür umso weitreichendere Gebietsansprüche im südchinesischen Meer). Zum anderen zerstört Indien aber auch die Hoffnung auf einen baldigen Abschluss der WTO Doha Runde. Nach Indiens gescheitertem Erpessungsversuch – kein TFA Abkommen ohne Freibrief für Indiens Agrarsubventionen – werden sich die USA und die EU genau überlegen, wieviel Zeit und Energie sie in die als ‚Entwicklungsrunde‘ bekannten Verhandlungen investieren wollen. Denn die Zeit der Topverhandler ist begrenzt, und die USA und die EU verhandeln derzeit ‚super-regionale‘ Handelsverträge, mit denen der Handel quer über Atlantik und Pazifik erleichtert werden soll. Diese Abkommen könnten dereinst als Grundlage für eine weitere, multilaterale Liberalisierung des Handels dienen, insbesondere wenn die beiden Freihandelszonen verknüpft werden. Zumindest anfangs schliessen sie aber den grössten Teil der Welt aus und führen zu einer Verzerrung des Handels zugunsten ihrer Mitglieder. Daher wäre es besser gleich ein multilaterales Abkommen wie die Doha Runde abzuschliessen, von der alle WTO Mitglieder profitieren würden. Denn man darf sich Nichts vormachen: Wenn die transatlantische oder transpazifische Partnerschaft etabliert sind, und ein handelspolitischer ‚Kleinstaat‘ sich einem dieser Abkommen anschliessen will, dann gilt schlicht das Recht des Stärkeren. Wer neu dazu stösst muss das bestehende Regelwerk übernehmen. In den WTO Verhandlungen der Doha Runde hingegen können sich die kleinen Länder zusammentun und auch einer Supermacht Zugeständnisse abtrotzen. Das weiss auch Indien und lehnt daher die ‚super-regionalen‘ Abkommen ab. Doch Verhandlungen im Rahmen der WTO funktionieren nur, wenn sich alle Teilnehmer einem offenen und multilateralen Handelssystem verpflichtet fühlen und ein Mindestmass an Verlässlichkeit zeigen. Denn die WTO funktioniert nach dem Konsensprinzip: Jedes Land hat ein Veto. Dieses Vetorecht eignet sich hervorragend für spektakuläre Show-downs und bringt vielleicht auch die eine oder andere Wählerstimme. Wenn dabei aber die ganze Institution beschädigt wird, dann ist das unverantwortlich. Der Wahlkampf ist vorbei, Herr Modi. mic

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